Von Eisenbahnen, Liebe und Langsamkeit

■ Der deutsche Railroadfilm „Zugvögel ... einmal nach Inari“ läuft ab heute im Kino. Die taz sprach mit dem Regisseur Peter Lichtefeld über seinen Stil und seine Tricks

Selbst beim deutschen Film gibt es immer wieder Überraschungen! Zum Beispiel diesen kleinen, feinen Spielfilm, der wie ein Gegenentwurf zu den Dutzend-Komödien wirkt, die nun endlich an den Kassen floppen. Joachim Krol und Peter Lohmeyer sind zwar nicht ganz unschuldig an dieser einheimischen Kino-Misere, aber auch die Schauspieler sind jeweils nur so gut wie die Filme. Und in diesem Railroadmovie sieht man Krol gerne dabei zu, wie er als linkischer Fahrplan-Spezialist durch halb Europa in ein kleines Kaff in Finnland reist. Kommissar Lohmeyer ist seinem vermeintlichen Mordverdächtigen immer knapp auf den Fersen, aber dieser entwischt in aller Unschuld auch der aufwendigsten Rasterfahndung, um in Inari die Liebe zu finden.

taz: Kennen Sie auch wie Ihr Filmheld alle Eisenbahn-Fahrpläne Europas auswendig, oder wie sind Sie sonst auf solch eine Geschichte gekommen?

Peter Lichtefeld: Die einzige Gemeinsamkeit ist, daß ich ebenfalls lieber mit der Bahn als mit dem Auto fahre. Aber die Idee mit diesem Tick meines Helden und dem Wettbewerb für Fahrplan-Experten, zu dem er nach Nordfinnland fährt, ist mir erst relativ spät gekommen. Ich wollte von einem erzählen, der von hier weg und nach Nordfinnland will. Dieses kleine Kaff Inari am Ende der Welt hatte mich als allererstes fasziniert. Das ist einfach ein geiles Filmmotiv: ein Ort, wo eine Liebe entstehen kann.

Obwohl der Film mit seinen Helden ja ständig auf Reisen ist, läßt er sich ja erstaunlich viel Zeit für kleine Nebengeschichten und Details, die schön sind, aber den Plot nicht unbedingt im Express-tempo weiterbringen. Interessieren Sie die Nebenstrecken mehr als die Hochgeschwindigkeitstrassen?

Mein Held hat zwar diese Fixierung auf die jeweils schnellste Zugverbindung, aber er selbst ist ja alles andere als flink. Ich sehe meinen Film gern als meinen kleinen Beitrag gegen das immer schnellere, immer bombastischere Kino. Meine Art des Erzählens ist eher langsam. Oder sagen wir lieber ruhig, denn bei langsam denkt man zu schnell an langweilig. Aber das ist ein Film dann nicht, wenn man das Publikum für die Figuren interessieren kann. Was ist das für einer, warum macht der das? Das waren für mich die ersten und wichtigsten Fragen bei der Geschichte. Der lebt in seiner Kunstwelt mit Fahrplänen und Kursbüchern, weil der einsam ist. Eigentlich braucht der 'ne Frau! Wenn man das deutlich machen kann, kann man sich auch kleine Schwenker leisten, die die Geschichte nicht stringent weiterbringen. Im Leben geht es auch nie nur geradeaus. Und dann kann man auch ruhig was weglassen, und das Publikum denkt sich den Rest. So konnten wir beim Schnitt den Film bei aller Langsamkeit noch mal von 100 auf 87 Minuten straffen.

Sobald der Filmheld die Grenze nach Finnland überquert, verändert sich ja auch der Stil des Films ein wenig. Es ist, als wären wir im Aki-Kaurismäki-Land, und das nicht nur, weil Sie einige von seinen Stamm-Schauspielern verwenden. Ist er einer von ihren Vorbildern?

Sein Stil entspricht mit seiner Lakonie und Melancholie so diesem Land, daß man an ihm nicht vorbeikommt, wenn man sich ein wenig auf Finnland einläßt. Akis Lakonie und sein beiläufiges Erzählen gefallen mir sehr, und natürlich habe ich ihn in einigen Szenen direkt zitiert.

Fragen: Wilfried Hippen