Kripo suchte händerringend Heim für Klaukinder

■ Vier rumänische strafunmündige Taschendiebe, die sich von ihren Kinderbandenführern losgesagt hatten, wurden nach einer Odyssee sicher untergebracht. Sie sind wichtige Zeugen

Ein großer Fahndungserfolg wäre der Kriminalpolizei beinahe zwischen den Fingern zerronnen. Nach Angaben des Leiters für rumänische Bandenkriminalität (RumBa), Peter Preibsch, haben Beamte von Sonntag bis Dienstag händeringend versucht, vier sogenannte rumänische Klaukinder in einem geschlossenen Heim außerhalb Berlins unterzubringen. Die strafunmündigen Kinder sind Hauptbelastungszeugen gegen vier inhaftierte mutmaßliche rumänische Kinderbandenführer. Durch die Unterbringung in einem geschlossenen Heim sollten die Jungen vor dem Zugriff anderer Bandenmitglieder geschützt und am Weglaufen gehindert werden.

Die Vorgeschichte: Vier der Kripo bekannte Klaukinder waren vor ihren Bandenführern nach Hamburg geflüchtet und wohnten dort in einer Pension nahe der Reeperbahn. Vergangenen Donnerstag gingen zwei der Jungen in einem Waschsalon sämtliche Kleidung waschen. Die beiden anderen warteten nackt im Hotel. Auf dem Rückweg sah einer der Jungen drei der Bandenführer in einem Auto vor der Pension. Es gelang ihm, die anderen zu warnen: „Die Bosse kommen.“ Notdürftig in Laken gehüllt, flüchteten die Kinder über ein Baugerüst. Bevor die Polizei erschien, gelang es den Bossen, mit einem Elfjährigen im Auto das Weite zu suchen.

Das entführte Kind wurde Freitag abend von Preibschs Beamten in Friedrichshain ausfindig gemacht. Gegen vier mutmaßliche Bandenchefs erging Haftbefehl. Die vier Kinder wurden Samstag in einem auswärtigen Heim untergebracht, aus dem sie aber sofort wieder abhauten. Am Sonntag wurden sie in Hamburg erneut geschnappt und nach Berlin gebracht. Nach endlosen Telefonaten mit den acht geschlossenen Heimen in der Bundesrepublik gelang es der Kripo laut Preibsch am Dienstag abend schließlich, die vier Jungen fernab der Hauptstadt unterzubringen. Ein richterlicher Beschluß „zur Abwendung einer Gefahr“ hatte die Beamten legitimiert, die Jungen 48 Stunden festzuhalten. „Wenn wir in dieser Zeit nichts gefunden hätten, hätten wir ein richtig knackiges Problem gehabt“, so Preibsch.

In Berlin gibt es seit 1990 keine geschlossenen Heime mehr. Polizei und CDU treten vehement für die Wiedereinführung ein, was aber von Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) als untaugliches Mittel zur Erziehung krimineller Kinder abgelehnt wird.

Der Fall der vier rumänischen Jungen dürfte die Diskussion nun erneut anheizen. „Hier müssen endlich Lösungen her“, forderte Preibsch mit Nachdruck. „Wir können nicht zugucken, wie Kinder vor die Hunde gehen, und müssen die Bürger vor Straftaten schützen.“ Die Kripo ermittelt gegen 70 minderjährige rumänische Taschendiebe und 24 Kinderbandenführer. Kaum eines der Kinder, die unter größter Gewaltanwendung zum Klauen gezwungen würden, sei bisher bereit gewesen, gegen die Bosse auszupacken. Daß nun gleich vier solcher Zeugen zur Verfügung stehen, sei ein großer Fahnungserfolg. Plutonia Plarre