„Jetzt ist der BDI gefragt“

■ Der Sprecher der Zwangsarbeiter, Klaus von Münchhausen, über die Entschädigung von VW

taz: Herr von Münchhausen, Sie vertreten die ehemaligen Zwangsarbeiter bei ihrem Kampf um Entschädigung. Wie erklären Sie sich die plötzliche Einsicht von Volkswagen?

Klaus Freiherr von Münchhausen: Noch im Mai hatten mir sowohl VW als auch die niedersächsische Landesregierung abschlägige Briefe geschrieben. Das Büro von Gerhard Schröder sagte mir, sie seien dafür gar nicht zuständig, und auch VW sagte, zuständig sei die Bundesrepublik und nicht der Konzern. Die Rechtslage sei nicht danach, daß sie entschädigen müßten. Daraufhin habe ich denen Mitte Juni einen Brief geschrieben: Wenn wir nicht bis Ende Juli zu einer Lösung kommen, würden wir einen Prozeß anstrengen. Am 25. Juni habe ich dann mit hohen Beamten in Hannover die Dinge so abgeklärt, wie sie sich jetzt öffentlich durch den Vorstandsbeschluß von VW darstellen.

Hatte VW Angst vor einem Imageverlust?

Nachdem vor den Landgerichten Köln und Bremen ja Kläger in ähnlichen Fällen recht bekommen haben, mußte VW damit rechnen, im Ernstfall einen solchen Prozeß zu verlieren. Außerdem wissen sie, daß sie gerade in Nord- und Südamerika, einem Hauptabsatzmarkt von VW, einen starken Imageverlust haben würden, wenn sie gegen diese alten Menschen vor Gericht ziehen.

Wird denn die Klage fallengelassen von den 30 Menschen, die sie ja vertreten?

Das kann man noch nicht sagen. Das hängt von der Höhe der Summe ab und wie die Konstruktion des Hilfsfonds aussieht.

Wie viele Leute können Geld erwarten?

Es geht um die Überlebenden der 15.000 Zwangsarbeiter, die VW eingesetzt hatte. Der Erfahrung nach leben von diesen Menschen noch etwa 10 Prozent. Es haben sich aber noch mehr Exzwangsarbeiter aus der ganzen Welt bei mir gemeldet. Ich war letzte Woche in Dänemark und habe dort von dänischen Partisanen, also nichtjüdischen Personen, Vollmachten erhalten. Die waren als Widerstandskämpfer von der SS verhaftet worden und als Zwangsarbeiter bei der Batteriefirma Varta und der Baufirma Hochtief. Ich werde mit diesen Firmen Kontakt aufnehmen und sie auffordern, sich dem Beispiel VW anzuschließen. Sonst machen wir einen Prozeß gegen sie.

Könnte VW ein Vorbild sein?

Das wird eine Sogwirkung haben. Die Hauptfrage geht aber an den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Was soll der BDI sagen?

Spätestens jetzt müßte BDI- Chef Hans-Olaf Henkel alle Unternehmen auffordern, sich VW anzuschließen. Das wäre politisch, moralisch und juristisch von ihm zu erwarten. Interview: Joachim Fahrun