Weckers Handicap

Der Liedermacher muß wegen exzessiven Drogenkonsums für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis  ■ Aus München Philipp Maußhardt

Konstantin Wecker hat ein Handicap: 28. In der Sprache der Golfspieler bedeutet das in etwa hinteres Mittelfeld. Aber für einen Anfänger ganz beachtlich. Viel Golfspielen (Wecker: „meine neue Sucht“) macht viel braun. Konstantin Wecker vernahm gestern braungebrannt und kerngesund sein Urteil: Er muß für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis. Damit bestätigte die 21. Strafkammer des Münchener Landgerichts ein erstinstanzliches Urteil.

Handicap Nummer zwei des Liedermachers und Schauspielers wog schwerer: Er stand wegen seiner Drogensucht in Bayern vor Gericht, dessen Justiz stolz auf ihre harte Linie gegen Dealer und Konsumenten von Drogen ist. Wecker hat nicht gedealt. Aber er hat in der Hochphase seiner Sucht Unmengen von Kokain verbraucht. 1995 etwa 1,7 Kilogramm. Er lebte nur noch vom und für das Koks, das er, mit Natron aufgebacken, als Crack inhalierte.

Daß ihm zwei psychiatrische Gutachter und ein Dutzend Zeugen bescheinigten, in dieser Zeit völlig unzurechnungsfähig und nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen zu sein, hat die Staatsanwaltschaft nicht beeindruckt. Sie war nur daran interessiert, die „bayerische Linie“ nicht zu verwischen.

Wo ein Chefkoch Eckart Witzigmann wegen 150 Gramm Kokainbesitzes zu zwei Jahren verurteilt wurde, da durfte ein Wecker mit 1,7 Kilo keine Bewährungsstrafe erhalten. Zweinhalb Jahre ohne Bewährung, die ein Münchner Amtsrichter 1996 über Wecker verhängte, waren Staatsanwalt Manfred Fuchs nicht genug, und er legte Berufung gegen das Urteil ein. Weckers Anwalt Steffen Ufer waren sie zuviel – also legte er ebenfalls Berufung ein.

In den Schlußplädoyers kollidierten die Auffassungen über Weckers Schuld: Staatsanwalt Fuchs wollte den „größten lebenden Dichter Deutschlands“ (Wecker zeitweise ironisch über sich selbst) für drei Jahre hinter Gittern sehen – ohne Bewährung. Für Wecker spreche, daß er ein volles frühes Geständnis abgelegt habe. Das hatte der Liedermacher bereits in den 80ern getan, als er sein Publikum nach längerer Abstinenz mit dem Satz aufheiterte: „Ich soll verschnupft gewesen sein.“ Für den Staatsanwalt wog allerdings schwer, daß der stets von einer umfänglichen Entourage umschwirrte Mann Freunde bedenkenlos gefährdet habe – indem er das Kokain offen herumliegen ließ. Seine Managerin habe er zu schwerwiegenden Straftaten veranlaßt.

Weckers Anwalt Ufer plädierte hingegen für eine zweijährige Strafe auf Bewährung. Zusätzlich dazu wollte Ufer seinen Mandanten mit einer originellen Werbemaßnahme bestrafen: Der Liedermacher solle zur Sühne zehn Benefizkonzerte geben.

Die Doppelberufung ließ im jetzigen Prozeß keinerlei Verständigung zwischen den Beteiligten zu. Wann immer Ufer zum Telefon griff und entweder dem Richter oder dem Staatsanwalt eine Kompromißformel vorschlug, die „auf Bewährung“ lautete, scheiterte er am Njet der Anklagevertreter.

Dabei hat sich Wecker eigentlich schon bewährt: Er trinkt Apfelsaftschorle und ißt vegetarisch. In Schulen hält er warnende Vorträge über Drogenkonsum, selbst die bayerischen Nervenärzte buchten ihn schon als Referenten. Die Analyse seiner Schamhaare ergab: völlig clean. Wecker dichtet wieder nüchtern, und manche sagen, es täte seinen Liedern nicht unbedingt gut. Zu Hause schreit beim ehemaligen Orgiast ein Kind, und die Schwiegereltern mögen ihn auch.

Dennoch muß er hinter Gitter, weil, wie der Staatsanwalt mehrfach betonte, durch das öffentliche Interesse an diesem Prozeß nicht der Eindruck entstehen dürfe, ein Prominenter würde gnädiger behandelt als Hänschen Mustermann.

Wecker selbst glaubt deshalb, einem Promi-Malus zum Opfer gefallen zu sein: „Die wollten sich auch daran rächen, daß ich sie jahrelang durch meine Lebensweise und meine Lieder geärgert habe.“

Je mehr Zeugen in der zwölftägigen Verhandlung die Wahnwelt des Angeklagten beschrieben („er hat ständig von Geistern und Zwergen erzählt“), desto wütender reagierte der Staatsanwalt. Den Zeugen hielt er vor, Gefälligkeitsaussagen gemacht zu haben, und einen von der Verteidigung aufgebotenen Gutachter fragte er, vom Richter unbeanstandet: „Was hat Ihnen die Verteidigung dafür bezahlt?“ Immerhin umfaßte die lange Zeugenliste Namen wie Dieter Hildebrandt („er redete ständig so religiöses Zeug“) und Senta Berger („er hatte einen Zusammenbruch und ich dachte, oh Gott, jetzt stirbt er“).

Nur einmal im ganzen Prozeß ließ Staatsanwalt Fuchs seinen Sinn für Witz erkennen, als eine Exfreundin Weckers berichtete, er habe manchmal „in einer Sprache gesprochen, die es nicht gibt“. Da fragte Fuchs: „War es Hessisch?“

Nun muß allerdings das Urteil jedem spanisch vorkommen, der das Betäubungsmittelgesetz kennt. Verteidiger Ufer, übrigens aus der Kanzlei von Rolf Bossi und seit Kindertagen mit Wecker befreundet, hält es gar für „eine Perversion, wenn Drogensüchtige bestraft werden, statt daß ihnen geholfen wird“. Er will gegen das Urteil in die Revision gehen, nur sein Mandant zögert noch: „Noch einmal zwölf Prozeßtage halte ich psychisch nur schwer durch.“