Werbung auf allen Kanälen

Viele Politiker wollen nervende Reklame bei ARD und ZDF abschaffen. Dennoch bleibt alles beim alten  ■ Von Georg Löwisch

So ein gutes Geschäft haben ARD und ZDF schon lange nicht mehr gemacht. Wenn zur Fußball-WM schon nachmittags bis zu 22 Millionen Zuschauer einschalten, dürfen sie nicht nur den Antritt von Ronaldo oder die Glatze von Fabien Barthez bewundern, sondern auch Telekom-Mobiltelefone oder die Karosserien von Opel. Allein der ARD flossen durch Spots während der WM 17 Millionen Mark extra in die Kasse.

Die Zuschauer freuen sich weniger: „Die TV-Werbung ätzt die meisten an“, sagt Ulrike Schöneberg von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Gut 83 Prozent der Deutschen finden nach einer GfK-Studie, daß es zuviel TV- Reklame gibt. Da dürften sich viele fragen, warum sie nicht wenigstens bei ARD und ZDF verschont bleiben. Wo doch jeder Zuschauer für die Öffentlich-Rechtlichen 28,25 Mark im Monat hinlegt.

Auch die Politik fragt sich, ob ARD und ZDF nicht besser werbefrei sein sollten. Wenn heute die Ministerpräsidenten der Bundesländer, die für die Fernsehgesetze zuständig sind, auch über dieses Thema reden, sind immerhin sechs prinzipiell für die Abschaffung: Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen, Schleswig- Holstein und Niedersachsen. Dennoch wird wohl wieder nichts passieren. Schon in der Vorlage für die Regierungschefs haben Beamte formuliert: „Beim aktuellen Diskussionsstand wird überwiegend die Beibehaltung des Status quo als konsensfähig erachtet.“

Dabei ist die Reklame für ARD und ZDF kaum lebenswichtig. Nur 700 Millionen Mark von den insgesamt 10 Milliarden ARD-Einnahmen kommen aus der Werbung – der Rest sind Gebühren. Beim ZDF ist der Werbeanteil noch etwas höher. Seit in den 80ern Privat-TV eingeführt wurde, sanken die Werbeerlöse von ARD und ZDF stark. RTL-Chef Helmut Thoma lästerte: „Die Werbeerlöse rechtfertigen kaum mehr den Verkaufsapparat“.

Auch bei den Sendern gibt es Sympathien für eine werbefreie Zukunft. Vor zwei Wochen geriet der ARD-Vorsitzende Udo Reiter bei einer Tagung ins Herumeiern, als er auf das Problem angesprochen wurde. Einerseits könne er seine Werbekunden „nicht öffentlich ohrfeigen“. Andererseits: „Als Privatmann meine ich, daß es der Hygiene der Systeme ganz gut täte, wenn die einen Werbung machen und die anderen nicht.“

Um die bei einer Abschaffung ausfallenden Werbeeinnahmen zu ersetzen, müßten die Rundfunkgebühren um zwei bis drei Mark erhöht werden. Freilich hat die unabhängige Gebührenkommission zuletzt für die ARD einen Überschuß von 800 Millionen Mark im Jahr 2000 errechnet – dann hätte sie mehr Geld über, als sie jährlich mit Werbung verdient. Ohne die Spots könnten sich die Sender zudem gegenüber den Zuschauern brüsten, völlig frei von Milka-Kühen und Obi-Bibern zu sein.

Ein „unschätzbarer Wettbewerbsvorteil“, findet auch Sachsens CDU-Regierungschef Kurt Biedenkopf. Jedoch vertreten die meisten der Länder, die für ein Werbeverbot sind, ihre Forderung eher lahm: Man könne den Gebührenzahlern eine höhere Gebühr allenfalls schrittweise zumuten.

Lieber die Reklameberieselung zumuten, lautet das Kalkül. Sechs Länder wollen daher auch, daß sich gar nichts ändert. Zusätzlich blockiert ist die Situation durch einen Vorstoß des Mainzer SPD-Regierungschefs Kurt Beck, der ARD und ZDF sogar mehr Werbung erlauben will. Statt bisher nur zwischen 18 und 20 Uhr sollen sie bei wichtigen Fußballspielen auch später am Abend werben. Mit dem Geld sollten die Sender dann um teure Sportrechte mitbieten können. Zwar ist der Vorstoß „ziemlich einsam geblieben“, wie Beck einräumt. Doch umgekehrt findet ein Werbeverbot auch keine einmütige Zustimmung unter den Ländern. So wird die Milka-Kuh weiter nerven – auch bei ARD und ZDF.

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