Lied in allen Dingen hat ausgeschlafen

■ Die halbe Welt haben sie schon platt vor Staunen getrampelt – jetzt stampft, klatscht, trommelt und klickerklackert „Stomp“ auch überzeugend im Thalia Theater

Daß die Banane krumm ist, haben Sie gewußt. Daß die Banane stumm ist, war Ihnen vermutlich auch geläufig – aber daß das keine Binsenweisheit, sondern eine ganz, ganz traurige Tatsache ist, können Sie erst nach einer Stunde Stomp begreifen. Erst nachdem Sie Mülltonnen, Schläuche und Streichholzschachteln von einer ganz anderen Seite kennengelernt haben – von ihrer schwingenden nämlich – fühlen Sie, wie trist gelbe Bananen sind.

Stomp ist eine Schule des Hörens und der Alltagswahrnehmung. Ein Mann betritt fegend die Bühne, und im stillen Theaterraum macht sich ein Schsch Schsch breit. Er klopft mit dem Holz auf den Boden und das Schsch Schsch wächst zum Schsch Schsch Klack. Er tritt mit dem Fuß auf und schon ist da ein Schsch Schsch Stomp Klack. Das ist ein ganz alltägliches Schsch Schsch Stomp Klack, aber doch von nie gehörter Qualität. Es ist präzise, rhythmisch und wächst mit dem Auftritt sieben weiterer Feger zu einem Fegefeuerwerk orchestralen Ausmaßes. So ergeht es allem, was die Performer von Stomp anfassen: Erst leise und solo, dann laut und im komponierten Klangchaos – im Grunde immer nach dem selben Muster – zeigt jedes Ding, was mit Gefühl aus ihm herauszuholen ist.

Stomp ist einfach und klasse, deshalb hat es Erfolg. Die englischen Erfinder und Regisseure des puren Geräusch-Stücks, Luke Cress-well und Steve McNicholas, haben lange Straßentheater gemacht, und das merkt man der direkten Performance auch an. Daß das Stücks allerdings noch sieben Jahre nach seiner Uraufführung mit mittlerweile vier Companies parallel auf drei Kontinenten alle bespielten Häuser ausverkauft, ist doch ein kleines Rätsel: All das, von dem man so gemeinhin meint, das Publikum wolle es sehen, kommt hier nämlich gar nicht vor. Kein Herz, kein Schmerz, keine Worte, nicht einmal Tanz oder Akrobatik. Ganz allein Klang. 120 Mark dafür auszugeben, ist ok. Aber nächstes Wochenende treffen Sie sich dann mit einer Handvoll Freunde unter einer wohlklingenden Brücke und leeren gemeinsam eine Mülltüte. Wenn dann Chipstüten knistern, Dosen klappern und alte Zeitungen rascheln, werden Sie auch die Sache mit der Banane begreifen. Christiane Kühl

bis 9. August, Thalia Theater