Aus der Enklave des wohnlichen Wahnsinns

■ Die avancierten Soundexperimente vom Berliner Trio Knochengirl suchen Wahrheit

Die Berliner Gruppe Knochengirl nimmt die von zwei anderen Kunst-Core-Unternehmungen der Stadt geknüpften Traditionsfäden auf. Der eine Faden wurde in den 80ern von den hippiesken Polymorph Pervers-Artisten La Loora aufgerollt. Zu deren Zielen gehörte, Guillaume Apollinaires Wildheit im eigenen Lebensgefühl aufgehen zu lassen und künstlerische Freiheit als einen Ort zu verstehen, der von anderen als Enklave des Wahnsinns zur Kenntnis genommen werden kann. Den anderen Faden rollte mit vielen unterschiedlichen Aktivitäten die Tödliche Doris ab. Dieses Trio hatte immer das Augenmaß, um sich für seine Aktionen an der Kunstgeschichte als aufgeschlossener Dieb zu vergehen. Die Tödliche Doris motzte die nette Tante Performance neu auf.

Knochengirl versammeln sich um den Hippie-Hipster Mario Mentrup, um mit nicht allzu prätentiöser Respektlosigkeit die Anregungen ihrer Kollegen weiter zu bearbeiten. Dabei kam auf bisher zwei Alben viel heraus: Low Fi-Wutausbrüche, wie sie moderner alter Musik gut zu Gesicht stehen. Krach, wie er in ambitionierten Musikstücken zu hören ist, in Ehen vorkommt und kurz vor dem Einschlafen im Kopf entsteht. Schließlich die Sorte Outrageousness, die einen, zum Lebensprinzip erhoben, eine Menge Fragen kloßbrühenklar formulieren läßt.

Für Knochengirl gibt es noch Intensität und Wahrheitssuche auf den Spielwiesen der Idiosynkrasien. Rezensenten verfingen sich manchmal voller Wohlwollen in Beschreibungen von dem „Lärmpoeten, der nach selbstbeigebrachtem Kopfschuß weiter Notizen macht.“ Dabei sind Knochengirl tatsächlich eine Band, die manchmal die Spielfreude etwas zu freudig gegen sich richtet. In ihren Stücken macht sich mehr als einmal ein Lachen breit, das wohl immer dann entsteht, wenn der allgemeinen Lage eine durchgängige Dekadenz und Unbeschreibbarkeit bescheinigt wird. Man gickelt sich wissend an und wuselt sich weiter durch ein phasenweise für künstlerisch, durchgängig, aber für grotesk gehaltenes Dasein. Man ist fertig miteinander und schleudert in einer Minute ohne Sauerstoff einen manischen Gesang raus. Ab und zu bricht dann in den Songs der Wunsch durch, eine Arche voll authentischen Weltleids auf der Spree zu Wasser zu lassen.

In solchen Momenten ist Knochengirl eine Berliner Band vom alten Schlag, eine, die immer noch die Zeichnungen des mauerpara-noiden Patienten musikalisch umsetzt. Kristof Schreuf Fr, 14. Juli, Störtebecker, 22 Uhr