Geschmackssicherheit

■ SHMF: Christoph Prégardien sang souverän Schumann- und Schubert-Lieder

Ein Liederabend hat immer etwas von einer Deutschstunde. Das Publikum, das sich zu diesen Veranstaltungen einfindet, erwartet keine herausgeschmetterten hohen Cs, sondern die Offenlegung emotionaler Tiefenschichten der vertonten Reimwerke. Mit pauschal-theatralischen Operngesten ist da wenig auszurichten, wohl ein Hauptgrund dafür, daß viele Sänger vor der Ausarbeitung eines Liedprogramms zurückscheuen.

Der Tenor Christoph Prégardien ist da eine Ausnahme. Als ein Künstler, der seine Karriere zu einem wesentlichen Teil auf dem Liedgesang aufgebaut hat, verfügt er neben der souveränen Handhabung gesangstechnischer Gestaltungsmittel über die Geschmackssicherheit, auch die heikelsten Texte romantischer Liebes- und Todessehnsucht ohne Pathos und Schwulst darzustellen.

Für ihren sonntaglichen Rellinger Liederabend im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik-Festivals hatten Prégardien und sein Begleiter Andreas Staier am Hammerflügel Schumanns Dichterliebe und Goethelieder von Schubert ausgewählt, Stücke, bei denen das dialogische Musizieren von Singstimme und Clavier im Vordergrund steht. Daß an diesem Abend der gesangliche Eindruck dominierte, lag nicht nur an der in jedem Moment fesselnden Gestaltung Prégardiens, sondern auch daran, daß Staiers Spiel wenig atmosphärischen Reiz zu vermitteln mochte. Die Vorspiele zu Das ist ein Flöten und Geigen und Aus alten Märchen winkt es wurden hurtig abgespult, Durchdringung von fieberhafter Erregung und tänzerischem Rhythmus wurde erst bei Hinzutreten der Singstimme erkenntlich.

Zudem konnte die Wahl des Hammerflügels als Begleitinstrument nur bedingt überzeugen: Ergaben sich bei den lyrischeren Stücken durch den silbrigen Klang auch einige suggestive Effekte, wirkte der Ton für den Konzertsaal doch zu schwach, im dynamischen Spektrum zu begrenzt, obwohl man ihn – Originalklang hin, Originalklang her – vermittelst einer Plexiglasplatte verstärkt hatte.

Jörg Königsdorf