Nicht nur Einkaufsstimulanz

■ Mit 35 Stunden Vollprogramm erhärtete das Freie Sender Kombinat (FSK) den Anspruch auf die Radio-Frequenz 89,1

Müde, aber sichtbar zufrieden lungerten die Macher von FSK in den Sperrmüllsesseln im Innenhof des Schulterblatts 23. Über ein sperriges Transistorradio tönte die Sendung, die gerade eine Tür weiter produziert wurde, und manch eine lauschte der Klangcollage aus der Band Blumfeld, dem Kafka-Text Blumfeld, ein älterer Junggeselle und Slavoj Zizek, die unerwartete Überschneidungen aufwiesen. Manch einer lachte auch schon etwas hysterisch, denn das meiste lag bereits hinter ihm, ein Großteil der 35 Sunden, die das Freie Sender Kombinat am Stück und aus dem eigenen Studio senden durfte, gingen bereits über den Äther.

Über Hamburgs Gassen erklang etwa am Samstag das interaktiv umfunktionierte Hörspiel von Bert Brecht Lindbergs Ozeanflug, dessen Ablauf einzelne Anrufer beeinflußten, die den Ozeanflieger dann mit vereisten Motoren nach Polen zu Helmut Kohl schickten. Aufgenommen und in Töne umgesetzt wurden die Hörerideen von dem kakophonischen Marianne Gärtner Laienstreichquartett.

Für einmal kreierte Radio Verwirrung, Gelächter und Überraschungen. Was der Zusammenschluß aus Radio Loretta, Radio St. Paula, Uniradio und diversen Stadtteil- und Forum-Radios hören ließ, war zwar, der Natur der Projekte entprechend, sehr disparat. Gerade dies wurde aber zu einer gänzlich neuen und gleichzeitig alten Ohrerfahrung, die an jene Zeiten erinnerte, als das Medium nicht nur Einkaufsstimulanz war.

Auch wenn ab und an die Sprecher vergaßen, wie die Band denn nun wirklich hieß, oder die Pausenmusik, ein ohne Hawai-Hemd nur schwer erträglicher Surf, doch allzu heftig mit dem Auftritt der Klangberserker von Helgoland kollidierte – gerade aus diesen Brüchen, Kontrasten und sympathischen Pannen entstand ein hellwaches Radioprogramm, das für 35 Stunden die austauschbaren Dampfplauderer vergessen machte. Die Live-Auftritte von Die Braut haut ins Auge, Tocotronic,Ja König Ja und Steiner zeigten zwar je nach Uhrzeit unterschiedliche Resonanz, gemeinsam war aber auch ihnen ein Gestus der Improvisation. Zur Überraschung einiger gelang FSK in diesen 35 Stunden ein ebenso spannendes wie anspruchsvolles Vollprogramm, das den Anspruch auf die in Kürze zu vergebende Frequenz 89,1 erneut erhärtete. FSK, das sich ohne Werbung ausschließlich über Mitgliedsbeiträge finanziert, tritt dabei aber gegen die starke Lobby des Deutschland-Radios an, das hier sein zweites Programm eröffnen will. Damit diese 35 Stunden nicht die letzte zusammenhängende Sendezeit von FSK bleibt, wirbt das Kollektiv in der entscheidenden Phase um zusätzliche Mitglieder.

Volker Marquardt

Weitere Informationen über FSK, Schulterblatt 23 c, 20357 Hamburg