Selber schlagen, andere zahlen

■ Polizeibeamter wegen Körperverletzung im Amt zu Geldstrafe verurteilt / Journalist Oliver Neß hatte eine Ohrfeige kassiert

Für den Polizeibeamten Gerd Sch. gab es gestern vor dem Amtsgericht Altona erneut nicht viel zu erben. Auch in dritter Instanz wurde der 34jährige wegen Körperverletzung im Amt in einem minderschweren Fall für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 3 500 Mark (50 Tagessätze a 70 Mark) verurteilt.

Als zuständiger Zugführer soll Sch. im April 1992 während eines Polizeieinsatzes beim ehemaligen Hertie-Gelände in Altona dem Journalisten Oliver Neß zuerst einen Schlag mit dem Ellenbogen und dann eine Ohrfeige verpaßt haben. Auf Neß' Bitte, ihm zu sagen, was das solle, reagierte der schlagfertige Sch. nicht und verließ blitzschnell den Ort des Geschehens. Stattdessen umringten mehrere Beamte den Journalisten und verhinderten so, daß Sch. verfolgt werden konnte. Neß, der eineinhalb Jahre später erneut Opfer übereifriger Polizeibeamter werden sollte, hatte sich als Beobachter einer Demonstration orthodoxer Juden nahe des Altonaer Bahnhofs aufgehalten.

Der Hauptkommissar erhielt für sein Dienstvergehen im Oktober 1992 einen Strafbefehl über 1 200 Mark, gegen den er Einspruch erhob. Das Amtsgericht Altona verurteilte ihn daraufhin in der ersten Hauptverhandlung zu einer Geldstrafe von 4 200 Mark. Damit war der zweifache Familienvater erst recht nicht einverstanden.

Der Angeklagte, der Zeugen präsentiert hatte, die es gar nicht gab, ging in Sprungrevision – das Landgericht als Berufungsinstanz wird dabei übersprungen – und bekam beim Oberlandesgericht (OLG) teilweise Recht. Nur die Ohrfeige sei eine Körperverletzung, befand das OLG und verwies das Verfahren ans Amtsgericht zurück.

Da saß der adrette Mann im beigen Sakko nun gestern und schwieg während der zweiten Hauptverhandlung, in der es nur noch um das Strafmaß ging, beharrlich. Der modische Hornbrillenträger hatte ja seinen Anwalt Michael Bertling dabei. Dieser übernahm das Kommunizieren und plädierte auf 30 Tagessätze a 70 Mark, weil das Ganze sich „am Rande des Unerheblichen“ bewege.

Das sah Richterin Großmann anders. Sie folgte dem Antrag von Staatsanwalt Jörg Keunecke, der 50 Tagessätze gefordert hatte. Ein „Augenblicksversagen in einer Streßsituation“ sei es gewesen, sagte Großmann, doch insbesondere Polizisten müßten sich immer „rechtsstaatsgemäß“ verhalten. Unzweifelhaft sei: „Ihnen ist die Hand ausgerutscht.“

Für Sch., der die Tat immer bestritten hatte, dennoch ein vergleichsweise preiswerter Spaß, denn die Verfahrenskosten (bis zu 10.000 Mark) muß er vermutlich nicht selber tragen. Zwar hat der Ersttäter bei der Landespolizeiverwaltung keinen Antrag auf Prozeßkostenhilfe gestellt, doch es gibt ja noch die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die gewährt ihren Mitgliedern Rechtsschutz – und zahlt, „wenn nicht vorsätzlich gehandelt wurde“, so der Geschäftsführer der GdP Hamburg, Dieter Schöneck. Tolle Einrichtung: selber schlagen, andere zahlen. Clemens Gerlach