Kein Fressen

■ Ärger um den FC St. Pauli: Sportamt gefährdet wirschaftliches Überleben des Kiezclubs Von Clemens Gerlach

Der Jubel kannte in Hamburg keine Grenzen, als dem FC St. Pauli vor drei Wochen der Bundesliga-Aufstieg gelang. Selbst Bürgermeister Henning Voscherau stimmte verhalten euphorisch in den Chor der Gratulanten mit ein. Der „vollen Unterstützung der Hansestadt“ könne sich der Verein sicher sein, sagte Voscherau vollmundig. Doch die hört ja in Hamburg meistens beim Geld auf.

Denn: Als Bundesligist möchte St. Pauli die Flächen um das Wilhelm-Koch-Stadion für gastronomische Zwecke nutzen. Wer das bezahlen soll, darüber ist jetzt ein polit-bürokratischer Streit entbrannt.

Im Mittelpunkt stehen Senat, Sportamt und das Bezirks-Liegenschaftsamt Mitte. Letzteres verwaltet die Flächen an der Budapester Straße und am Heiligengeistfeld, die der FC St. Pauli für Ausbau und Modernisierung der Arena am Millerntor benötigt. Bis zum Aufstieg sollte alles kein Problem sein: Genau wie das ganze St.Pauli-Stadion, sollte auch das Gelände drumrum für eine „entgeltfreie Nutzung nach den Kriterien des Sportrahmenvertrages“ zur Verfügung stehen. Das jedenfalls hatte der Senat dem SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Peter Kämmerer im Dezember 1994 auf dessen Schriftliche Kleine Anfrage mitgeteilt.

Doch der Senat hatte nicht mit dem Sportamt gerechnet. Nur das Sportamt ist nämlich dazu berechtigt, Sportvereinen stadteigene Grundstücke kostenlos zur Verfügung zu stellen. Und um das Ganze noch komplizierter zu machen, muß das Sportamt dem Liegenschaftsamt vorher eine Art Ablösesumme bezahlen, um überhaupt dem FC St. Pauli die Flächen überlassen zu konnen. Für das Grundstück an der Budapester Straße wäre das eine halbe Million Mark – zuviel für das Sportamt. „Die Mittel haben wir nicht“, sagte der stellvertretende Leiter, Rolf Ehrich, gestern zur taz. Zudem sei diese Fläche „nicht zwingend sportfachlich notwendig“, weil der Verein dort eine gewerbliche Nutzung – Getränke- und Verkaufsstände – anstrebe.

Den sportliche Teil hingegen, die Stadionausbauflächen im engeren Sinne, wird das Sportamt erwerben und St. Pauli kostenlos überlassen: „Wir haben ein Herz für die Aushängeschilder unserer Stadt“, so Ehrich. Vor zehn Tagen habe man einen Antrag auf vorzeitige Überlassung bei der Finanzbehörde gestellt. „Das dürfte kein Problem werden“, erklärte Ehrich. Die fälligen 170 000 Mark würden in den kommenden drei Jahren abbezahlt.

Der Sozialdemokrat Kämmerer versteht die Haltung des Sportamtes nicht: „St. Pauli braucht die zusätzlichen gewerblichen Einnahmen.“ In einer zweiten Schriftlichen Anfrage vom 28. Juni will der Beiratsvorsitzende der Interessengemeinschaft St. Pauli nun vom Senat wissen, ob der noch zu seinem Versprechen stehe oder dieses „brechen“ wolle.

Eine Zwischenlösung, wie sie dem Liegenschaftsamt Mitte vorschwebt, lehnen Kämmerer und auch Pauli-Präsident Heinz Weisener unisono ab. Weisener hat auf das Angebot von Ende Juni, die gesamten Flächen ums Stadion in einer Übergangszeit für circa 40 000 Mark im Jahr zu mieten, noch nicht reagiert. „Herr Weisener hat sich bei uns seit 14 Tagen nicht gemeldet“, bestätigte Jürgen Beckmann, der Leiter des Liegenschaftsamtes, gegenüber der taz.

Kein Wunder daß der Vereinschef verärgert ist, hat sich Papa Weisener, der den Verein mit Millionen am Leben hält, das Dankeschön der Politiker für den Aufstieg doch ganz anders vorgestellt. Beckmann hofft derweil, daß das Sportamt doch noch „die Übernahme der gesamten Flächen finanzieren kann“. Davon ist Kämmerer nicht überzeugt: „Ich warte erst einmal die Antwort des Senats ab.“ Wichtig sei, daß der FC St. Pauli am Ende das kriegt, was er zum wirtschaftlichen Überleben brauche.