Harte Jungs auf den heißen Stuhl

Anti-Gewalt-Trainings sollen gewaltbereite Jugendliche ändern  ■ Von Elke Spanner

Endlich hatte Andreas W. einen Job gefunden. Lange ging alles glatt, seine Bewährungshelfer atmeten schon auf. Eines Tages bat der Meister seinen Lehrling, eine Stunde länger zu arbeiten. Andreas W. schlug wütend zu. Den Job war er los, seine Perspektive auf ein straffreies Leben ebenso.

Bei ihrer Menschenkette am Donnerstag abend forderten die TonndorferInnen eine gesicherte Unterbringung für gewalttätige Jugendliche. Doch das Motto „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“ funktioniert so einfach nicht, ist der Kriminologe Prof. Bernd-Rüdeger Sonnen überzeugt: „Um die Einstellung von Jugendlichen verändern zu können, muß man sie erstmal erreichen – in ihrer Sprache.“ Auch Jörg Wolters, Pädagoge im Hamburger Jugendgefängnis Hah-nöfersand, ist überzeugt, daß man gewalttätigen Jugendlichen nicht einfach nur Regeln aufdrücken könne, um ihr Verhalten verändern, sondern daß man zudem an ihrer Gewaltbereitschaft arbeiten muß.

Im Vordringen ist in Hamburg deshalb die Idee, Jungen, die schnell mal zuschlagen, „Anti-Gewalt-Trainings“ anzubieten. Im Gefängnis Hahnöfersand und im Bezirk Altona laufen bereits entsprechende Kurse, in Wandsbek wird ein erstes Training Anfang September starten.

In der Anti-Gewalt-Arbeit stehen sich zwei Ansätze gegenüber: Ein sporttherapeutisch orientiertes Programm auf der einen, Gespräche und praktische Übungen auf der anderen Seite. In Hahnöfersand arbeitet seit zwei Jahren der Pädagoge Wolters mit über 20 Jugendlichen: „Es sind hochgradig aggressive Gewalttäter“, sagt Wolters. „Körperlichkeit ist ihre Sprache. Damit kann man sie eher erreichen als mit Gesprächen.“ Er favorisiert deshalb den sporttheraputischen Ansatz.

In Hahnöfersand lernen die Jungen die asiatische Kampfkunst Budo. Die Betonung liegt für Wolters auf der Silbe Kunst: „Es geht nicht um Stärke“, sagt er. „Die Übungen gelingen nicht durch Kraft, sondern durch die Beherrschung des Körpers.“ Gerade wer Friedfertigkeit als Stärke erkenne und sich nicht durch Provokationen zum Zuschlagen verleiten lasse, sei bei Budo erfolgreich. Das Bild des „friedfertigen Kriegers“ liegt dieser Kampfkunst zugrunde, die Wolters für „das effektivste Behandlungsprogramm für Gewalttäter“ hält.

Auch der Leiter des Jugendgefängnisses, Andreas Gross, ist von dieser Anti-Gewalt-Arbeit überzeugt. So sehr, daß er das Programm nun „auf große Füße stellt“. Ende August wird eine Wohngruppe im Gefängnis eingerichtet, in der ein anderer Vollzug als in den übrigen Stationen praktiziert werden soll. Vormittags werden die zunächst zwölf Jungen zur Arbeit gehen – und nachmittags das Anti-Gewalt-Programm trainieren. „Dort werden die Harten der Harten leben“, sagt Gross, „problematische Jugendliche, mit denen schon viel erfolglos versucht wurde.“

Ein weniger sportliches Konzept verfolgt der Jugendhilfeverein „Nordlicht“, der ab September zusammen mit dem Bezirksamt Wandsbek ein Anti-Gewalt-Training anbietet. Acht Jugendliche, die im Strafprozeß vom Gericht dazu verdonnert wurden, werden einmal pro Woche fünf Stunden im Stadtteilzentrum Brakula trainieren – mit fünf TrainerInnen und einem „Ex-User“, der früher mehrfach straffällig war und mittlerweile eine andere Sprache als die der Gewalt spricht.

Im „Coolnessprogramm“, wie es Leiter Guido Schomaker nennt, werden die Jugendlichen mit ihren Taten konfrontiert. Ihren Schilderungen wird der Inhalt der Gerichtsakte entgegengehalten und „ihre Rechtfertigungsstrategie hinterfragt“. Das erfolgt nach dem Prinzip des „heißen Stuhls“. Schomaker: „Da werden die Jungen hören, daß sie nicht der tolle Hecht sind, für den sie sich halten.“ Auch wird ein Gerichtsmediziner eingeladen, der den Jungen Fotos von Opfern zeigen und dadurch die andere Seite der Medaille beleuchten soll.

Das Prinzip des „Heißen Stuhls“ lehnt etwa Hahnöfersand-Leiter Gross ab, da „die Zeit nicht reicht, die Jugendlichen nach dieser schweren Demoralisierung wieder aufzubauen“. Schomaker teilt die Kritik nicht: „Die Jungen werden das als Herausforderung betrachten. Und Herausforderungen zu meistern, gehört zu ihrem Lebensstil.“