Feuerwerk über Haven Höövt

■ Durchgeknallte Sound-and-light-Show „Titanick“ in Bremens stadträndiger Pampa

„Titanick, das Spektakel“ ist so ähnlich wie Titanic, genauer gesagt, wie „Titanic, Europas größtes Satiremagazin“: purer Spott; und zwar als grundsätzliche Lebenseinstellung oder die klügere Art eines politischen Bekenntnisses. Dieser Spott trifft „Titanic, das Schiff“ und alle hochtrabenden Untergangsdramen gleich mit dazu. „Titanick, das Spektakel“ wurde 1990 von Menschen aus Münster und Leipzig angeleiert und 1992 das erste mal realisiert. Die Liebe der involvierten Techniker, Schauspieler, Musiker zum Absurden wird unter freiem Himmel praktiziert. Dort geht es um Jux, Tollerei und wattebauschige Dampfwolken, die beim Zusammenprall von Wassersturzfluten und Feuer entstehen. Daß 1998 zu diesem ganzen, geballten Titanismus auch noch „Titanic, der Film“ dazustieß, ist eine jener Liebenswürdigkeiten, die man gemeinhin als Ironie der Weltenläufte zu bezeichnen pflegt.

Inmitten Vegesacks schönster unfreiwilliger Postmoderne, im Geröllnirgendwo zwischen Backsteinbahnhof, Bushäuschen aus Glitzeracryl, Kleinmanhattan – oder ist Haven Höövt eher ein Kleinmahrzahn? – und Schifferl-Allerlei, lümmelt Schrott am Boden. Kurz vor Beginn des Treibens um 22.40 Uhr pinselt einer von circa 15 Spaßarbeitern schnell noch ein bißchen Farbe auf einen gelb-schwarzen Schiffskamin. Die liebenswerte Schundästhetik ist ganz schön aufwendig und teuer.

Eisengestänge, rote Stoffbahnen, Baugerüst, diverse Lagerfeuer und ein Kronleuchter, der schon mal bessere Zeiten gesehen hat, wirken durchdacht angeordnet. Sind sie auch. Im Laufe einer Viertelstunde werden unter dijeridooartigem Jaulen und metalloiden Hämmereien – kling, kling, kling, so pathetisch wie das sonst nur Richard Wagners fieser Schmied Mieme kann – mit viel Kurbeln und Seileziehen ein Schiff errichtet.

Feuerwerkskörper entblättern ihre Lichtblumen glühwürmig im Nachthimmel; Wassermassen peitschen mit sadomasochistischer Triebhaftigkeit gegen dahingerosteten Schiffsbug; bucklige, humpelnde, schmerbäuchige, fetthinterige Schiffsköche, Matrosen, PassagierInnen schwingen tarzangleich seilwärts gegen den Mond. Ach so. War ja kein Mond. War ja Scheißwetter. Lob den skurrilen Bühnenbildnern, dem Casting, den Kostümbildnern, den Technikern. Fehlte also lediglich: ein ordentlicher Regisseur. Was nicht weiter verwundert, da es ja auch kein Stück gab. Witz nistete sich ausschließlich in der Hardware ein und in den Bewegungen der Akteure. Die Abwesenheit von Story, Sketschen, Sätzen nötigt die skurrilen Darsteller zu Dauerzappeleien in kleinerem und größerem Abstand zum Erdboden. Sie waren wenig abwechslungsreich. Ein Umstand, den die Zuschauer schenkelhauend komisch, anrührend poetisch-fantastisch oder schlicht langweilig fanden. All diese drei Daseinszustände konnten während 75 Minuten Schifferrichten und Schiffabsaufen beobachtet werden.

3 Mark 50 für die feine Bratwurst im Freiluftfoyer des Spektakels gehen klar. Eintrittspreise zwischen 15 und 45 Mark irgendwie auch gerade noch. Ob für diese Neckerei 94.000 Mark Höchsteinsatz (je nach Publikumszuspruch) aus dem Topf der Bremen Marketing GmbH gerechtfertigt sind, darüber kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein. bk

Noch heute abend. Beginn frühestens ab 21.30h am Vegesacker Bahnhof. Kartenservice: Tel.: 353637