Mit „Anstoß“ in den Existenzkampf

■ Der Kleinste im Norden: Wie die Bremer Kulturinitiative „Anstoß“ Radio Bremen gegen seine Feinde unterstützt

Seine Freunde kann man sich nicht immer aussuchen. „Radio Bremen sollte sich selbst offensiv thematisieren“, sagt Klaus Pierwoß. „Es gibt eine Lähmung des Senders“, sagt Werner Rabus. „Der Sender sollte die Leute öffentlich um sich scharen“, sagt Horst von Hassel. Pierwoß, Rabus und von Hassel gehören zur Kulturinitiative „Anstoß“, und die hat sich jetzt vorgenommen, den kleinsten ARD-Sender im Kampf ums Dasein zu unterstützen und dabei nicht bloß auf Liebkosungen zu setzen.

„Öffentlich rechtlicher Rundfunk – was bedeutet uns Radio Bremen?“ hat die Initiative Anstoß die Auftaktveranstaltung zur Kampagne am Donnerstag abend überschrieben. Vor wohl hundert Anstoß nehmenden Menschen und der nahezu vollzähligen Senderleitung vertritt Manfred Jenke, bis Ende 1993 WDR-Hörfunkchef, salbende Thesen. Und doch eröffnet die anschließende Diskussion fast alle Aspekte der Konstellation, in der Radio Bremen – und in dieser Debatte besonders die Sparte Hörfunk – um seine Existenz kämpft.

„Die Bremer Politik geht damit um, als sei der Sender ein Punching ball“, kommentiert Klaus Pierwoß die lokale Debatte um die Änderung des Radio-Bremen-Gesetzes. Doch er muß sich von Radio-Bremen-Intendant Karl-Heinz Klostermeier berichtigen lassen: „Unsere Feinde sitzen auch anderswo“, sagt er und meint die Ministerpräsidenten der Südländer, die auf eine Änderung des ARD-Finanzausgleichs drängen, aus dem Radio Bremen knapp die Hälfte seines Etats bezieht. Auch der SPD-Medienpolitiker Horst Isola springt auf, als nach Pierwoß auch der Wellenchef von Radio Bremen 4, Wolfgang Hagen, die Diskussion um die Gesetzesnovelle als „unverantwortlich“ bezeichnet: „Die politische Diskussion ist nicht vom Himmel gefallen“, sagt Isola und nennt die „dramatischen Hörerverluste der Hansawelle“ und das Papier der senderinternen Zukunftskommission, die Radio Bremen einen Mangel an Führung und Verantwortung attestiert hatte.

Referent Manfred Jenke hat darauf keine Antwort, wird danach aber auch nicht gefragt. In sieben Thesen spricht er sich vor allem für den Status quo aus: Die vier Hörfunkprogramme? Unbedingt beibehalten. Die regionale Verankerung eines kleinen Senders wie Radio Bremen? Unbedingt stärken, denn auch Mehrländeranstalten hätten ihre Landesfunkhäuser und Regionalstudios ausgebaut.

Ohnehin sollte der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht die Quote zum einzigen Erfolgsmaßstab machen. Viel wichtiger sei die Weite des Hörerkreises, also das Ziel, in 14 Tagen eine größtmögliche Bevölkerungsgruppe zu erreichen, so SPD-Mitglied Jenke. Und er plädiert für eine Diskussion über kommerziellen Rundfunk in Bremen: „Privatfunk zieht einen Abbau von journalistischer Leistung nach sich und hat keinen Zuwachs an publizistischer Substanz gebracht.“

Soll also alles werden, wie es war? So ähnlich. Und das, obwohl „wir“ nach Angaben von RB-4-Chef Wolfgang Hagen „erst am Anfang der Digitalisierung sind“ und eine Vervielfachung der Programme bevorstehe. Jenke empfiehlt einstweilen eine enge Kooperation mit „dem geeigneten, aber nicht einzigen Partner“ NDR: „Die Weser-Ems-Region ist das Zielgebiet von Radio Bremen, und da führt an einer Kooperation mit dem NDR kein Weg vorbei.“

Doch was sind die Voraussetzungen? Der mächtige Nachbar, der nach Jenkes Angaben vor allem aus dem Eigeninteresse mit den Berliner und Brandenburger Sendern ORB und SFB zusammenarbeitet, um sich in der Region Berlin bemerkbar zu machen, will Radio Bremen helfen, um sich den kleinen Sender vom Hals zu halten: „Der NDR hat gesehen, daß er den Finanzausgleich aller bei einem Beitritt Radio Bremens allein leisten müßte“, sagt Radio-Bremen-Verwaltungsdirektor Peter Dany öffentlich. Immerhin, so Jenke, könnte eine Kooperation für den NDR interessant sein, wenn eine gemeinsame Frequenz auch Werbung ausstrahlt. Doch glaubt man Radio-Bremen-Hörfunkdirektor Hermann Vinke, kommen da keine Freunde zusammen. Die Kooperation werde von Radio Bremen intensiv betrieben, aber: „Die Konkurrenz mit dem NDR – das ist die Existenzgefährdung für Radio Bremen.“ Seine Freunde kann man sich halt nicht immer aussuchen. ck

Die „Anstoß“-Reihe soll im Herbst fortgesetzt werden