Nachgefragt
: „Nehmt das zurück“

■ Gesundheitsamt will nicht kürzen

Das Bremer Gesundheitsamt fordert seit Jahren, für alle Sozialhilfeempfänger eine Vollwerternährung zu finanzieren und ist deshalb entsetzt über die Kürzungen für Aids-, Krebs- und Multiple Sklerose-Kranke. Wir sprachen darüber mit Thomas Hilbert, Leiter des sozialmedizinischen Dienstes für Erwachsene.

taz: Der Deutsche Verein meint, daß künftig 50 Mark als Ernährungszulage ausreichen. Was ist da plötzlich los?

Thomas Hilbert, Gesundheitsamt Bremen: Der Verein ist der Zusammenschluß aller Sozialhilfeträger Deutschlands und somit derer, die die Sozialhilfemittel letztlich verwalten. Von daher handelt er natürlich interessengeleitet. Die neuen Änderungen sind auf jeden Fall diskussionsbedürftig.

Trotzdem haben Sie dafür grünes Licht gegeben. Jedenfalls hat Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD) die Kürzungen damit öffentlich gerechtfertigt.

Wir haben seit mindestens 1995 andere Empfehlungen gegeben. Aber wir sind nicht in der Position des Sozialhilfeträgers. Wir können nur auf die Problematik hinweisen.

Das heißt, Sie können gar kein Veto einlegen?

Wir sind nicht in der Rolle, etwas abzusegnen und zu legitimieren.

Hätte Bremen die Vereinsempfehlung eigentlich ablehnen können?

Rein theoretisch schon. Aber ich möchte nicht in der Haut der Politiker stecken, die dann über den Länderfinanzausgleich verhandeln müssen.

Also war der Druck anderer Bundesländer ausschlaggebend?

Die Bremer Sozialbehörde kann ja nicht anders verfahren als die anderen im Bundesgebiet. Da kann es keinen politischen Sonderweg geben.

In den Sozialhaushalten vieler Bundesländer klaffen Lücken – auch in Bremen. Geht es nicht eigentlich ums Geld?

Es geht ums Geld. Bei den Krankenkostzulagen wird im Grunde eine sozialpolitische Entscheidung zu einem medizinischen Problem gemacht.

Das heißt, man legitimiert mit Gutachten, bei bestimmten Personengruppen zu kürzen?

Man findet immer irgendwo eine Publikation oder einen Fachmann, der das so sagt. Aber hier geht es doch eigentlich um Wahlmöglichkeiten für Sozialhilfeempfänger, mal ins Theater zu gehen oder frisches Gemüse zu kaufen.

Wie untermauert der Verein, daß weniger Geld ausreicht?

Das ist nicht zu untermauern. Man hätte genauso gut sagen können: Die kriegen jetzt 12,99 Mark mehr. Wir würden dem Verein deshalb jederzeit sagen: Leute, nehmt diese Empfehlungen zurück.

Fragen: Katja Ubben