Proteststurm gegen Kürzungen

■ Vereine wollen jetzt gegen die gekürzte Krankenkostzulage für Aids-, Krebs- und Multiple Sklerose-Kranke vor Gericht ziehen

Für Lisa war der Blick auf ihr Konto ein Schock: „Da war auf einmal viel weniger Geld drauf“, sagt die aidskranke Frau. So ergeht es derzeit vielen Aids-, Krebs- und Multiple Sklerose-Kranken, die Sozialhilfe beziehen. Seit 1. Juli ist ihre sogenannte Ernährungszulage von der Sozialbehörde von bis zu 180 Mark auf 50 Mark heruntergekürzt worden. Dagegen laufen jetzt Vereine wie die Aidshilfe-Bremen oder die Krebshilfe Sturm: Sie kündigten gestern eine Klage vor dem Verwaltungsgericht an.

Entsetzt sind die Vereine vor allem darüber, wie schnell die Kürzungen durchgezogen wurden: Die Sozialbehörde gab ihre Pläne erst vor einem Monat bekannt. Die Ernährungszulage müsse gekürzt werden, weil Bremen sich den Empfehlungen des Deutschen Vereins beugen müsse – dem Zusammenschluß aller Sozialhilfeträger Deutschlands, erklärte Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD). Dieser hatte in Gutachten festgestellt, daß weniger Geld auch ausreicht. Doch das wird jetzt selbst vom Bremer Gesundheitsamt angezweifelt (siehe nebenstehendes Interview).

„Ich rate der Behörde, alles nochmal zu überdenken“, warnt Helmut Oppermann von der AidsHilfe-Bremen. Er rechnet sich für die Klage gute Chancen aus: „Der Deutsche Verein hat neueste wissenschaftliche Erkenntnisse einfach nicht berücksichtigt“. Danach bräuchten zum Beispiel Aidskranke täglich 120 Gramm Eiweiß, um zerstörte Muskelzellen aufzubauen. Und drei Liter Wasser oder Fruchtsäfte, um bei neuen Therapien Flüssigkeitsverluste auszugleichen. Auch Vitamine in hohen Dosen seien notwendig. Doch hochwertige Eiweiß- und Vitaminpräparate würden allein schon pro Packung bis zu 70 Mark kosten. Da reichten 50 Mark nicht aus.

Das sieht auch die betroffene Lisa so: Sie muß zu ihren Medikamenten viel Grapefruitsaft trinken und Fett zu sich nehmen. „Ich kann mir doch jetzt nicht immer Schwarten auskochen“, sagt die Frau, die wie viele andere nur 540 Mark reguläre Sozialhilfe pro Monat bekommt. „Zynisch“ findet Helmut Oppermann von der Aidshilfe das und ruft Betroffene jetzt außerdem zu Widersprüchen gegen die Sozialhilfebescheide auf. „Wir haben es in Bremen mit einem neuen Klima zu tun. Da wird aus Spargründen in einem solch sensiblen Bereich herumgeholzt“, sagt er. Doch die Sozialbehörde läßt sich davon nicht beeindrucken: Es bleibe bei den Kürzungen, sagte gestern Behördensprecher Holger Bruns. Alles weitere sei lediglich „Sache des Gerichts“. kat

Beratungen gibt es bei der AidsHilfe unter Tel.: 70 28 18 oder bei den anderen genannten Vereinen.