Der Rubenbauerfluchtweg

■ Warum Mini-Sender Eurosport überhaupt Fußball-WM-Rechte hat

Durch den Sender Eurosport lebt eine Westberliner Tradition fort: Wenn es in den Zeiten vor Mauerfall und DDR-Ende Rubenbauer und Faßbender gar zu wild trieben, konnte man immer noch zu Gottfried Weise auf DDR1 umschalten, wie man damals das Zappen nannte. Gottfried Weise kommentiert heute immer noch, nämlich bei Eurosport, und ist bei der Fußball-WM live zu hören. Nur, wenn die deutschen Mannschaft spielte, war der Rubenbauerfluchtweg versperrt: durch ein Veto von ARD und ZDF.

Daß sie dies überhaupt einlegen konnten, hat mit den öffentlich- rechtlichen Wurzeln des Privatsenders zu tun. Denn Eurosport wurde 1987 von der Europäischen Rundfunkunion EBU gegründet, dem Zusammenschluß der staatlichen und öffentlichen Sender in Europa. Das Kalkül: Teure Sportrechte sollen zusätzlich in einem Spartenkanal verwertet werden. So startet Eurosport 1988 zu den Olympischen Spielen in Seoul. Doch der EBU-Plan, in damals neuen Kabelnetzen einen eigenen Anbieter zu etablieren, stößt auf Widerstand. Der britische Privatsender Screensport, in Deutschland damals als „Sportkanal“ zu empfangen, beschwert sich bei der Europäischen Union in Brüssel.

Hier verbündeten sich wettbewerbswidrig alle Öffentlich-Rechtlichen, lautet der Vorwurf. Sportkanal-Manager meckern auch weiter, als Medienmogul Rupert Murdoch als Mehrheitsaktionär bei Eurosport eingestiegen ist, denn der Sender nutzt weiter EBU- Übertragungsrechte. Ein unzulässiges Kartell, urteilt 1991 die EU- Kommission, und Eurosport stellt am 6. Mai um 2 Uhr morgens den Sendebetrieb ein. Die FAZ jammert: „Wer wird uns das Klippentauchen aus Costa Rica zeigen?“

Die Tränen flossen zu früh. Denn Eurosport findet ein Konstrukt, das den EU-Vorwurf entkräften kann. Der französische Privatsender TF1 übernimmt Rupert Murdochs Anteile, die öffentlich- rechtlichen Anstalten organisieren sich über eine Trägergesellschaft. So sendet der Spartenkanal weiter, bis es 1993 zur Fusion mit dem Widersacher Sportkanal kommt. Gesellschafter werden neben TF1 der US-Sportkanal ESPN und der französische Pay-TV-Sender Canal+.

Die öffentlich-rechtliche EBU ist heute noch im „Eurosport-Konsortium“ vertreten und paßt auf, daß sie ihre teuren Sportrechte weiterverkaufen kann. Andererseits achten die Eurosport-Gesellschafter darauf, daß nur etwa 15 bis 20 Prozent des gesendeten Materials aus dem EBU-Pool kommt – freilich sind Olympia, Tour de France und Fußball-WM darunter. Bei den Quoten zahlt sich die günstige Anbindung an die großen öffentlichen Anstalten noch nicht aus. Der Marktanteil liegt in Deutschland zwischen 1 und 1,5 Prozent, in Großbritannien sind es immerhin 5 Prozent. Martin Krauß