Großreinemachen in Moskau

In Rußlands Hauptstadt bläst Bürgermeister Juri Luschkow zur Hatz auf Kaukasier und Immigranten. Am Wochenende beginnen die olympischen Jugendspiele  ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath

Reifen quietschen, Türen springen auf, drei beleibte Ordnungshüter sprinten hechelnd auf die beiden sonnengebräunten Passanten zu. Ihr Teint macht sie verdächtig. Eingehend werden ihre Papiere studiert. Schließlich wenden sich die Milizionäre enttäuscht ab. Bei den Verdächtigen handelte es sich um unbescholtene Bürger eines südeuropäischen Staates, die zu allem Verdruß auch noch gültige Aufenthaltsgenehmigungen besaßen. Glücklicherweise gehörten sie nicht zur Delegation des Internationalen Währungsfonds, der zur Zeit in Moskau eine neue Finanzspritze aushandelt.

Die Hatz auf fremdaussehende Personen ist in der Hauptstadt Routinesache. Auf Kaukasier und Immigranten aus Mittelasien hat es die Stadt hauptsächlich abgesehen. Bürgermeister Juri Luschkow legt großen Wert auf Reinlichkeit innerhalb seiner Mauern. Besonders wenn internationale Gäste erwartet werden, wie an diesem Wochenende. Rußlands Hauptstadt putzt sich für die olympischen Jugendspiele heraus. 7.500 Athleten haben sich angesagt. Im Gegenzug räumt die Polizei seit Tagen unerwünschte Elemente vor die Stadttore und schließt alle Märkte in der Nähe von Sportstadien. Die Razzien führen Spezialeinheiten der Polizei des Innenministeriums (OMON) generalstabsmäßig aus. Menschen werden zusammengetrieben wie Vieh.

Angeblich brachten die Basarverwalter, so die Bürgermeisterei, „vollstes Verständnis“ auf. Was bliebe ihnen übrig? Luschkow duldet keine Widerrede, sonst müßten sie sich nach einer anderen Erwerbsquelle umsehen.

Obdachlose und Prostituierte waren die ersten Opfer. Es kann aber auch Besucher aus der Provinz erwischen, die sich nicht, wie vom Stadtpatron verordnet, innerhalb von drei Tagen bei den Behörden gemeldet haben. Chauvinist Luschkow hat Erfahrungen im Ordnungschaffen. Unerfreulicherweise gelingt es ihm nur, indem er eklatante Verletzungen der russischen Verfassung begeht und gegen elementare Menschenrechte verstößt. Die Anordnung stammt aus seiner Feder höchstpersönlich. Die Verfassung garantiert indes jedem Bürger das Recht, sich dort aufzuhalten, wo er es wünscht.

Während des Kommunismus war das Aufenthaltsrecht strikt reglementiert. Bauern erhielten bis in die 70er Jahre nicht einmal einen Paß. Erstmals veranstaltete Moskau Säuberungen vor den Olympischen Spielen 1980. Arme, Milieugeschädigte und Prostituierte paßten nicht ins Bild vom fröhlichen Werktätigen. Zur 50-Jahr-Feier des Sieges über den Faschismus und im vergangenen Jahr anläßlich des Moskauer Stadtjubiläums kehrte auch der städtische Besen. Diesmal erhielten sogar streikende Bergarbeiter aus Sibirien, die ihre Löhne fordern und seit Tagen vor dem Regierungsgebäude in Moskau demonstrieren, eine ultimative Aufforderung, die Stadt zu verlassen.

32.000 Polizisten und Soldaten kontrollieren die Straßen während der Spiele. „Ich denke, wir machen es richtig. Moskau ist das Schaufenster Rußlands“, rechtfertigte sich Polizeichef Nikolai Kulikow. Genau! Ein Bekenntnis zu gewisser Ordnungsfurcht und Freude an Schmuddelei wäre daher ein bewundernswerter Akt patriotischer Aufrichtigkeit. Denn bisher gilt immer noch: Je mehr Polizisten, desto anfälliger die Ordnung.