Halbgott mit Halbglatze

■ Pril-Blumen im Herzen: Guildo Horn gastierte im ausverkauften Stadtpark

Wochenende, Kaffekränzchen und Nußecken – früher waren das Inbegriffe kleinbürgerlicher Höllenszenarien, heute werden sie kultisch verehrt. Nochmals Danke! Und zwar an Guildo Horn und sein Tingeltangel um die Schlager von einst und um ein Bad-Taste-Verständnis, auf das sich inzwischen wirklich jeder Popclown einigen kann. Das Stadtpark-Konzert des Mannes, der sich von einer ganzen Nation „Meister“ rufen läßt, war natürlich schon lange ausverkauft, und natürlich waren auch alle dufte drauf und trugen Pril-Blumen in ihren Herzen. Die hatten einfach keinen Bock, sich einen so milden Sonntag nachmittag vom Tief Ulrike versauen zu lassen. Und selbst wenn der Platzregen gekommen wäre – na und, ein bißchen Spaß muß sein!

Anders als sein erfolgloseres, aber eleganteres Gegenstück Dieter Thomas Kuhn setzt dieser Halbgott mit Halbglatze auf seinen wahrlich unvorteilhaft behaarten Oberkörper. Wenn er schwitzt – und das tat der Held von Burmingham im Stadtpark reichlich – schwabbelt die Hüfte, und die Schlager-Idylle zeigt ihre wahres Gesicht. Eine Fratze. Richtig, wer bei diesem Anblick eher an Meatloaf als an Amarillo dachte.

Schluß also mit der Legende, die guten alten Lieder würden nur von Tränen, die nicht lügen, und von mexikanischen Festen mit griechischem Wein erzählen. Dank Guildo Horn wissen wir: Der deutsche Schlager anno 98 funktioniert wie ein Pauschalurlaub in Spanien. Da kann sich die Nation drauf einigen.

Oliver Rohlf