Riesen-Flaute für Riesen-Windpark

■ Emder Stadtrat stoppt Genehmigungsverfahren für größten Windpark Europas / Oldenburger Verwaltungsgericht verschärft Auflagen für Windenergie / Planer mißachten Vogelschutzgebiet

Dem Windparkprojekt Wybelsumer Polder bei Emden/Ostfriesland, der größten in Europa geplanten Anlage, geht die Puste aus. Die Verwaltung der Stadt Emden hat jetzt die Vorlage für den Stadtrat zur Genehmigung des Windparkes zurückgezogen. Sie nahm den Mühlen den Wind aus den Flügeln, nachdem am 1. Juli das Verwaltungsgericht Oldenburg eine Baugenehmigung für eine ganz andere Anlage kassiert hatte.

Das Gericht hatte beanstandet, daß zwei geplante Windräder zu nah an einem Wohnhaus aufgestellt werden sollten. Die Richter forderten für die zwei neuen Mühlen einen Mindestabstand von mehr als das Siebenfache der Höhe der Windmühlen – eher sogar das Achtfache. Mit einer Höhe von fast 100 Metern hätten die Anlagen in einer Entfernung von nur 550 Metern vom Haus des klagenden Nachbarn nicht genehmigt werden dürfen, so die Urteilsbegründung (Aktenzeichen: 4B 1807/98).

„Mit unserer Rücknahme der Genehmigungsvorlage wollen wir das Oldenburger Urteil noch in unser Genehmigungsverfahren einarbeiten“, sagt Harald Look, Pressesprecher der Stadt Emden, die den Wybelsumer Windpark genehmigen muß. Angesichts von über 300 angekündigten Klagen ist diese Haltung verständlich. Wann wieviele Anlagen in Emden überhaupt genehmigt werden, weiß nach dem Oldenburger Urteil allein der Wind. Eigentlich wollte der Emder Stadtrat in der vergangenen Woche abschließend über das Projekt abstimmen. Gebaut werden sollten die 36 Mühlen mit einer Leistung von 1,5 Megawatt Anfang nächsten Jahres. Das Oldenburger Urteil hat die Emder Verwaltung jetzt aber verschreckt.

Die Anlage, die von privaten InvestorInnen und dem regionalen Energieversorger EWE mit einem Investitionsvolumen von 185 Millionen Mark geplant wird, stößt auf erbitterten Widerstand von AnliegerInnen und NaturschützerInnen. Die mehr als 100 Meter hohen Mühlen stünden mit teilweise 500 Metern Abstand zu nah an Wohnsiedlungen, ist dabei nur ein Vorwurf der WindparkgegnerInnen, der durch das Oldenburger Urteil entscheidend an Gewicht gewonnen hat. Das Verwaltungsgericht forderte in seiner Urteilsbegründung zusätzlich, jede Windkraftanlage und jeden Windpark auf seine individuellen und umfassenden Auswirkungen auf die Umgebung zu untersuchen. Das Gericht bedauerte, daß es über Lärmbelästigung, Schattenwurf der Rotorblätter, Veränderungen des Land-schaftsbildes zu wenig Untersuchungen gäbe. Gutachten zur Lärmbelästigung seien oft unvollständig und wenig aussagekräftig in Bezug auf die Dauerbelastung von Mensch und Natur durch Windkraftanlagen, hieß es weiter.

Auch der BUND moniert seit langem fehlende oder widersprüchliche Lärm- und Schallgutachten zum Windpark Wybelsumer Polder. Außerdem wird in einem Gutachten ein seit 1980 der Europäischen Union gemeldetes Vogelschutzgebiet unterschlagen. In den entsprechenden Unterlagen ist die Landkarte, die den Geisensteert in der Emsmündung als international bedeutsames Vogelreservat ausweist, weggeklappt. Dies hat der Koordinator der Konferenz ostfriesischer Natur- und Umweltverbände, Manfred Knacke, der Europäischen Union gemeldet. Joke van der Meer, verantwortlicher BUND-Mann vor Ort schimpft: „Der geplante Windpark verbarrikadiert die Routen der Zugvögel.“

Thomas Schumacher