Freibrief für die Täter

■ betr.: „Mit Augenmaß“ (Kongo: UNO bewertet die Massenmord- Vorwürfe gegen Kabilas Trup pen), taz vom 2. 7. 98

Wenn Dominic Johnson sich den Weg „zu einer dauerhaften Stabilisierung der Länder im Afrika der Großen Seen nur über eine Stabilisierung der gegenwärtigen Regierungen“ vorstellen kann, muß er gewärtigen, daß gerade diese Regierungen für schwere Menschenrechtsverletzungen in ihren Ländern verantwortlich zu machen sind. So wird die Zivilbevölkerung in Ruanda seit Jahren zwischen den Fronten zerrieben: Viele Menschen fielen und fallen den Anschlägen der militanten Hutu-Gruppen, die für den ruandischen Genozid von 1994 verantwortlich zu machen sind, zum Opfer und noch mehr den darauf folgenden großangelegten Gegenschlägen der ruandischen Armee; verdächtigt, mit der jeweils anderen Seite zu kollaborieren, werden Menschen gezielt „ausgeschaltet“. Regimekritiker sind in Ruanda und Kongo eine regelrlechte Zielscheibe staatlicher Verfolgung. Amnesty international hat zur Lage der Menschenrechte in beiden Ländern vor kurzem ausführliche Berichte veröffentlicht.

Johnson stellt fest, daß die UNO einen Völkermord an Hunderttausenden Hutu nicht bestätigt und daß die Aufarbeitung der Geschichte nicht auf Kosten der Zukunft gehen dürfe. Ist die systematische Ermordung von Tausenden unbewaffneter Zivilisten, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, nicht Unrecht genug? Eine nicht aufgearbeitete Geschichte ist eine schwere Hypothek für die Zukunft Zentralafrikas. Das gilt sowohl für den Völkermord an der Tutsi-Ethnie als auch für die Massaker an den Hutu-Flüchtlingen. Straflosigkeit für solch schwere Verbrechen ist ein unaussprechlicher Hohn für die unzähligen Opfer und stellt den Tätern einen Freibrief für die Vergangenheit wie die Zukunft aus.

Als bezeichnend für die Situation in Ruanda sei die Aussage eines ruandischen Bauern, die der kürzlich erschienene ai-Bericht zu Ruanda, „The hidden violence“, notiert, wiedergegeben: Über Anschläge von bewaffneten Hutu- Gruppen auf Angehörige der Tutsi-Ethnie würde in der ruandischen Presse regelmäßig berichtet – was er begrüße; über die vielen Toten bei Gegenangriffen der ruandischen Armee erfahre man dort jedoch nichts. – Eine Schieflage, der Medien in demokratisch fundierten Staaten – und gerade kritische wie die taz – in der Tendenz keinesfalls aufsitzen sollten. Rike Lamberty,

Ruanda-Koordinationsgruppe

von amnesty international