■ Fußball schafft weltweiten Sympathiezuwachs für Kroatien: Die zweite Anerkennung
Die kroatische Fußballnationalmannschaft hat sich tapfer geschlagen und gut gespielt. Für Kenner war dies nicht ganz überraschend. Nicht nur im Fußball, auch in anderen Sportarten wie im Tennis und im Basketball gehören SportlerInnen des Fünf-Millionen- Volkes zur Weltspitze. Mit dem dritten Platz bei der Weltmeisterschaft haben die Fußballer vor dem größten sportlichen Forum dieser Welt mit Spielwitz und Willen etwas geschafft, was die Politik in den letzten Jahren schon verspielt hatte. Sie haben Kroatien wieder Sympathien und Respekt verschafft. Das kleine Land auf dem Balkan wurde in diesen Tagen zum zweiten Mal anerkannt.
Jetzt kann man nur hoffen, daß richtig mit diesem Sympathiezuwachs umgegangen wird. Die „Freudenschüsse“ nach dem Sieg gegen Deutschland waren nicht vielversprechend. Die für eine junge Muslimin tödlichen Schüsse in Mostar fielen zwar nicht in Kroatien, sondern in Bosnien-Herzegowina. Sie sind aber auch nicht nur das Werk von Verrückten. Sie sind Ausdruck der nationalen Selbstüberhöhung und des Hasses von kroatischen nationalistischen Extremisten, deren Gedankenwelt bis in die politische Spitze in Zagreb reicht.
Und trotzdem ist es ungerecht, die gesamte kroatische Nation als rechtslastig oder gar als faschistisch abzustempeln. Die Bewegung für die Unabhängigkeit war demokratisch ausgerichtet. Sie wollte ein modernes demokratisches Kroatien schaffen. Und das wollen viele Kroaten bis heute. Der ehemalige Partisanengeneral Franjo Tudjman aber verspielte die Sympathien für Kroatien nach dem serbischen Aggressionskrieg 1991 und begann 1993 seinerseits einen Aggressionskrieg in Bosnien, er führte bei allen seinen Erfolgen die kroatische Nation in eine Demokratur und die außenpolitische Isolation. Da müssen ihm sportliche Erfolge gerade recht kommen. Wie jeder absolutistisch regierende Staatschef versucht er den Sport und die nationalen Emotionen für seinen Machterhalt nutzbar zu machen.
Zweifel sind jedoch angebracht, daß diese Rechnung aufgeht. Die Fußballmillionäre oder Tennisstars haben mit der Gedankenwelt des 19. Jahrhunderts wenig zu tun. Sie wollen Teil der modernen Welt sein, sie sind es auch. Die kroatischen Sportler können jetzt aller Welt auch zeigen, daß sie auf ein modernes Kroatien stolz sein wollen und nicht auf ein autokratisches System. Daß Tudjman gerade unter den Fußballfans Zagrebs nicht beliebt ist, beweisen die regelmäßigen Pfeifkonzerte und „Dynamo“-Rufe im Stadion des von ihm in „Croatia-Zagreb“ umbenannten Klubs. Erich Rathfelder
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen