Kredit in Sicht – Kreml atmet auf

Rußland kriegt vom IWF mehr als erwartet  ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath

Nach anfänglichem Zögern hat sich der Internationale Währungsfonds (IWF) nun doch bereit erklärt, dem finanzklammen Kreml mit einem 11-Milliarden-Dollar- Kredit (20 Milliarden Mark) zur Seite zu springen. Das verlautete gestern vorab aus russischen Regierungskreisen. Ursprünglich wollte der IWF Rußland nur mit 5 Milliarden US-Dollar unterstützen – und das unter strengen Auflagen: Die Regierung Kirijenko wurde angehalten, einschneidende Maßnahmen zu ergreifen, um die Einnahmen des Staates zu erhöhen.

Zu Redaktionsschluß wurden gestern in Moskau noch die Details der Finanzspritze zwischen Premierminister Sergej Kirijenko und IWF Unterhändler John Olding- Smee ausgehandelt. Offenbar soll der Kreml eine erste Tranche von fünf Milliarden Dollar sofort erhalten und den Rest über das Jahr verteilt. Der IWF hat triftige Gründe, die Kreditvergabe nicht zu überstürzen. Die Finanzkrise in Südostasien mit Direkthilfen an Südkorea, Indonesien und Japan hat die Rücklagen des Fonds dezimiert. Überdies hat sich Rußland in den bisher drei IWF-Programmen seit 1993 nie an die Auflagen gehalten.

Neben den IWF-Geldern soll auch die Weltbank noch einen Kredit bis zu 1,5 Milliarden Dollar bereitstellen. Moskau hofft zudem, westliche Banken könnten noch einmal rund zehn Milliarden Dollar lockermachen. Denn der gesunkene Ölpreis, geringe Steuereinnahmen und Turbulenzen auf den Finanzmärkten trieben den Kreml an den Rand des Staatsbankrotts. Seit Januar sanken die Aktienkurse um 60 Prozent, der Rubel schwächelt und die Devisenreserven sind auf 14 Milliarden Dollar geschrumpft.

Die Vergabe des Weltbankkredites ist nach Berichten der New York Times an die Bereitschaft des Kreml geknüpft, im Erdöl- und Gassektor mehr Konkurrenz zuzulassen. Die fossilen Brennstoffe sind zur Zeit Haupteinnahmequelle des Staates. Bisher fürchteten Präsident Jelzin und Regierung gleichermaßen, die Monopolstellung solcher Rohstoffgiganten wie Gasprom auch nur anzutasten. Der IWF hatte mehrfach verlangt, die Konzerne zu entflechten, was jedesmal von der nationalistischen und kommunistischen Opposition als ein Angriff auf Rußlands Souveränität ausgelegt wurde.

Boris Jelzin hatte auf eine schnelle Einigung gedrängt. Streikende Bergarbeiter und Staatsangestellte, die seit Wochen auf ihre Löhne warten, verlangen inzwischen nicht nur ihren Sold, sondern den Rücktritt des Präsidenten und der Regierung. Die verhältnismäßig unbürokratische und rasche Hilfe des IWF wurde auf politischen Druck Washingtons entschieden. Denn ein Sturz Boris Jelzins könnte allemal kostspieliger werden.