Der Oranier-Orden trifft in Irland auf Unverständnis

■ Sinn Féin, Sozialdemokraten und irische Regierung fordern die Oranier zu Verhandlungen auf

Portadown (taz) – John Hume, Chef der sozialdemokratischen SDLP und einer der Architekten des Friedensprozesses, hatte bereits vor dem Mord an den drei Kindern gewarnt: „Wenn der Oranier-Orden sich weiterhin weigert, direkt mit den katholischen Bewohnern der Garvaghy Road zu sprechen, könnte das schwerwiegende Folgen haben.“ Die einzige Antwort auf die Ereignisse in Drumcree seien Verhandlungen, sagte er. Humes Parteikollege Seamus Mallon, der vor zwei Wochen zum stellvertretenden Premierminister Nordirlands gewählt wurde, sagte gestern dagegen, er habe jetzt nur noch einen Rat an die Oranier in Drumcree: „Geht nach Hause.“

Die irische Regierung hatte sich in der vergangenen Woche ständig bemüht, direkte Kontakte zwischen dem Orden und dem Bürgerkomitee von der Garvaghy Road herzustellen. „Die einzige aussichtsreiche Option ist der Dialog zwischen beiden Seiten“, sagte ein Regierungssprecher.

Premierminister Bertie Ahern forderte die randalierenden Protestanten auf, endlich den Wunsch der überwältigenden Mehrheit nach Frieden, der in den Referenda in beiden Teilen Irlands Ende Mai ausgedrückt worden sei, zu akzeptieren. Die Versuche scheiterten, weil der Orden es ablehnte, mit Breandan Mac Cionnaith, dem Sprecher des Komitees, zu reden. Der war 1982 nämlich wegen Waffenbesitzes zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Am Samstag scheiterten auch die „Stellvertretergespräche“, bei denen beide Seiten lediglich über Mittelsmänner Kontakt miteinander hatten.

Die Bewohner der Garvaghy Road leben seit acht Tagen im Belagerungszustand: Ihr Viertel ist an allen Enden abgesperrt, hinter den Barrikaden stehen die Oranier. Das Bürgerkomitee hat immer wieder erklärt, daß man zu einem Kompromiß durchaus bereit sei, wenn man darüber verhandeln könne. Auf einem großen Plakat mitten auf der Garvaghy Road steht: „No talking, no walking.“ Der Unterhaus-Abgeordnete Martin McGuinness von Sinn Féin, dem politischen Flügel der IRA, sagte am Wochenende: „Wenn die Leute miteinander reden, können sich die Dinge bewegen.“ Es sei an der Zeit, fügte er hinzu, daß die „Oranier aufwachen und sich der Realität stellen“.

Auch in den südirischen Medien stößt das Verhalten der Oranier auf Unverständnis, erinnert man sich doch noch gut daran, wie die Führer des Ordens vor zwei Jahren gemeinsam mit „King Rat“ Billy Wright, dem im Dezember ermordeten loyalistischen Killer, auf der Bühne in Drumcree gestanden haben. Daß der Orden auch nach dem Tod der drei Kinder keine Einsicht zeigt, verstehen nur wenige. Ein Reporter des irischen Fernsehens sagte gestern, als er einen Protestantenführer vor der Kamera hatte: „Ich weiß nicht, was ich überhaupt fragen soll.“ Ralf Sotscheck