Krieg der Frauen

„Zwischen Himmel und Hölle“ und „Onibaba“: Das 3001-Kino birgt zwei Japan Classics  ■ Von Tobias Nagl

Der Frühling des asiatischen Kinos in Hamburg wächst sich zu einem gestandenen Sommer aus. Was mit Takeshi Kitano und Wong Kar-Wai begann, wird nun mit der Bergung zweier kleiner Schätze der japanischen Moderne fortgeführt. Onibaba (1963) des weitgehend unbekannten Kaneto Shindo und Zwischen Himmel und Hölle, den Akira Kurosawa 1962/63 inszenierte, sind ab Donnerstag in der Nachtschiene des 3001-Kinos zu sehen.

„Ich will die Kämpfe der sogenannten kleinen Leute zeigen, von denen in der klassischen Geschichtsschreibung niemals die Rede ist,“ sagte Shindo in einem Interview über seinen letzten in Eigenregie gedrehten Film, der 1965 in Cannes großen Eindruck hinterließ. Das realistische Anliegen des Regisseurs findet im ins Groß-Tragische kippenden 3-Personen Drama Onibaba eine beindruckende expressionistische Ausgestaltung, und die formalistische Aufmerksamkeit für die feinsten Schattennuancen der Bildoberfläche führt noch einmal mit einem Schlag vor Augen, worin die Faszinationskraft des japanischen Kinos für eine ganze Generation westlicher Filmemacher dieser Zeit gelegen hat. Ganz abgesehen von der Freizügigkeit und einer Filmmusik, die elegant zwischen Neutönertum und modernem Jazz oszilliert.

Das Leitmotiv sind die Bewegungen des wiegenden Schiffs, in dem die beiden weiblichen Hauptfiguren hausen. Zwei verfeindete Adelsfamilien haben das Land in ein Chaos der Gewalt und Verzweiflung gestürzt. Mutter und Schwiegertochter leben vom Müll des Krieges – vom Pferd gefallene Samurai ermorden sie hinterrücks und tauschen deren Waffen gegen Reis ein. Das geht solange gut, bis ein Mann in dieses Kriegs-Matriarchat eindringt und Kunde bringt vom Tod des Sohnes. Der Kriegsflüchtling Hachi läßt sich in einer Hütte in der Nähe der Frauen nieder und bietet der jüngeren Frau die Ehe an. Die ältere Frau fürchtet, durch diese Verbindung allein gelassen zu werden. Doch trotz ihres Vetos entwickelt sich die sexuelle Anziehungskraft zwischen Hachi und der Jungen zu einer Obsession, die alle Grenzen überschreitet. Nachts flüchtet sie immer wieder durchs Schilf zu ihrem Geliebten, bis die Schwiegermutter einen teuflischen Plan faßt: Mit der Dämonen-Maske eines kranken Samurai, den sie tötet, versperrt sie als Teufel verkleidet ihrer Schwiegertochter den Weg. Erst als während eines Unwetters Hachi hinzukommt, gelingt es den beiden Liebenden, dem Teufel die Maske vom Gesicht und die Alte in die Flucht zu schlagen. Doch die hat sich längst mit der entstellenden Krankheit infiziert und stürzt – „Ich bin ein Mensch“ schreiend – in die Grube zu ihren Opfern.

Selten nur wurde das Entmenschlichende des Krieges gleichermaßen abstrahiert und apokalyptisch dargestellt: Shindos Protagonisten leben nicht nur vom Müll des Krieges, sie sind selbst längst zum Müll des Krieges geworden – und bis nach Hiroshima ist es aus dieser gottlosen Schilflandschaft nicht weit. Auch der Teufel und jede Moral hat in Onihaba seine Erklärungskraft verloren, weil spätestens mit dem nuklearen Fall-Out die Welt radikal entzaubert wurde.

Ähnlich säkularisiert, wenn auch sich weniger trostlos der Moderne nähernd, ist Kurosawas nach einem Roman von Ed McBain entstandenes Kleinod Zwischen Himmel und Hölle, mit dem er so etwas wie einen japanischen film noir gedreht hat. Was als Kidnapping-Story im Stile Fritz Langs beginnt, entwickelt sich zunehmend zu einem moralischen Dilemma der Unterscheidbarkeit von Gut und Böse, in dem gleichermaßen westliche und japanische Formelemente in einem Amalgam von filmischen Möglichkeiten kollabieren. Faszinierend.

Zwischen Himmel und Hölle: Do, 16. bis Sa, 18. Juli, 22.45 Uhr. Onibaba – Die Töterinnen: So, 19. bis Mi, 22. Juli, 22.45 Uhr