An Kooperation nicht zu denken

Ein Jahr nach dem Oderhochwasser sind die Folgen nur in Brandenburg beseitigt. In Polen dauern die Arbeiten an – und die Regierung will die Oder weiter ausbauen  ■ Von Gudrun Giese

Berlin (taz) – Selten wurden die Opfer einer Katastrophe so reichlich mit Spenden, Soforthilfe, Versicherungszahlungen bedacht wie die Anwohner der vor einem Jahr überfluteten Oder – auf brandenburgischer Seite. Anders in Polen: Dort hatte sich, so schätzt das Umweltministerium in Potsdam, das Hochwasser im vergangenen Juli zu über achtzig Prozent abgespielt. 55 Menschen kamen ums Leben, 46.000 Häuser versanken in den Fluten des außergewöhnlich starken Sommerhochwassers. Noch heute leben Hunderte von Familien in Behelfsunterkünften. Die Regierung beziffert die Schäden auf zwölf Milliarden Zloty (rund 6,2 Milliarden Mark). Bis 2001 werde es mindestens dauern, bis Häuser und Straßen ausgebessert oder erneuert und die Sicherungen am Fluß abgeschlossen seien.

Spenden waren gleich nach Beginn des Hochwassers vor allem beim Roten Kreuz eingegangen. Zum Geldstrom entwickelten sie sich aber erst, nachdem die Oderflut die polnisch-deutsche Grenze bei Ratzdorf erreicht hatte. Mehr als 130 Millionen Mark landeten auf den Sonderkonten von Landesregierung, Hilfsorganisationen und Medien.

Auf brandenburgischer Seite traf es die Bewohner der Ziltendorfer Niederung am härtesten: Hier brach in Brieskow-Finkenheerd am 23. Juli der erste Deich. 137 Häuser standen unter Wasser, etwa 2.000 Menschen mußten sich vor der Flut in Sicherheit bringen.

Inzwischen sind viele Häuser wiederaufgebaut, zu maximal 90 Prozent wird der Schaden aus Spendengeldern reguliert. Außerdem verfügten viele Anwohnern noch über Versicherungen aus DDR-Zeiten, die Gebäudeschäden durch Hochwasser abdecken. Rund 60 Millionen der 130 Millionen Mark Spendengelder wurden an die brandenburgischen Hochwasseropfer ausgezahlt, 70 Millionen an polnische.

Die gebrochenen Deichabschnitte waren bereits Ende November 1997 wiederhergestellt. Bis 2005 sollen insgesamt 230 Millionen Mark in die Sicherung vor künftigem Hochwasser investiert werden, kündigte kürzlich der brandenburgische Umweltminister Matthias Platzeck (SPD) an.

So vollmundig die Ankündigungen für umfangreiche Finanzhilfen von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) angesichts des Hochwassers waren – sehr viel davon ist in Brandenburg nicht angekommen. 500 Millionen Mark hatte Kohl als Summe genannt, „allerdings nie eine verbindliche Zusage gemacht“, wie sich Rainer Bretschneider, Abteilungsleiter beim brandenburgischen Verkehrsministerium, erinnert. Tatsächlich ausgezahlt hat der Bund 20 Millionen Mark nicht rückzahlbarer Soforthilfe für die Hochwasseropfer. Geflossen sind auch 17 Millionen Mark für die Reparatur von Hochwasserschäden an Bundesstraßen. Neben hart erkämpften 70 Millionen Mark für Deichausbauten hat das Land dem Bund 40 Millionen Mark für die Städtebauförderung abgerungen, und zwölf Millionen nicht ausgegebener Mittel darf das Land in die Reparatur der Verkehrswege stecken, statt sie zurückzuüberweisen.

Die beiden größten Posten Bundeshilfe jedoch sind eher Luftnummern. Allein für den Einsatz von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz habe Bonn 200 Millionen Mark veranschlagt, so Rainer Bretschneider – für Transport, Ernährung, Unterbringung der rund 30.000 Soldaten an der Oder. Kosten, die auch angefallen wären, wenn die Rekruten andernorts Dienst getan hätten. Generalmajor Hans-Peter von Kirchbach, Einsatzchef der Soldaten an der Oder, hatte die Zusatzkosten auf lediglich 35 Millionen Mark beziffert.

Ebenfalls auf seine Hilfszusage rechnet der Bund die 200 Millionen Mark Kreditmittel an, die die Kreditanstalt für Wiederaufbau für die Hochwasseropfer bereitstellte. Die Schäden an Häusern und Hausrat werden jedoch bereits durch Spenden und Versicherungen abgedeckt. Zieht man die Kreditzusage und die regulären Kosten für die Bundeswehr ab, hat der Bund knapp 200 Millionen Mark tatsächlich ausgezahlt.

Neben der finanziellen Schadensregulierung beschäftigt die Anrainer und den brandenburgischen Umweltminister vor allem der künftige Hochwasserschutz. Entscheidend dafür sei allerdings, so Minister Platzeck, „daß die Kommunikation mit den polnischen Nachbarn im Ernstfall funktioniert“. Doch die polnische Regierung plant den Ausbau der Oder mit Schleusenneubauten und Flußbegradigungen. Platzeck: „Wenn das Programm realisiert wird, müssen wir kürzere Vorwarnzeiten vor Hochwassern befürchten und steilere Hochwasserwellen.“ Reportage Seite 13