Der lange Atem

■ In die Jahre gekommen, aber immer noch gut: John Mayall in der Fabrik

Ein Leben im Zeichen des Blues: Wer, wenn nicht John Mayall, könnte die verlorene Zeit beklagen? Und zugleich seine Musik auch auf dem letzten Album Blues For The Lost Days trotzig feiern als eherne Kraft, die sie erträglich werden ließ? Der nun bald 65jährige Musiker aus der britischen Provinz Surrey war nie ein großer Stilist oder Innovator, aber als Katalysator, Beförderer, Schnittstelle ist er nicht wegzudenken aus den letzten vier Dekaden.

Während seine berühmten Bluesbreakers-Schüler aus den 60er-Jahren den Blues später manchmal wie eine Monstranz vor sich hertrugen, um dann doch nur bei risikoloser Reproduktion (Eric Clapton) oder gleich im kreativen Aus (Peter Green, Mick Taylor) zu landen, machte der Exil-Brite einfach seine Arbeit. Mal mehr, mal weniger gut – stilistische Irrwege inklusive.

Blues For The Lost Days ist in diesem Sinne ein unspektakuläres, unangestrengtes, zuweilen etwas zu selbstzufriedenes Spätwerk. Mayall schweift und schlendert durch Lokalflairs, Sub-Genres und Epochen mit der Nonchalance des in die Jahre gekommenen Hirten, der im Abendrot noch einmal schaut, ob die Schäfchen denn auch auf dem rechten Weg geblieben sind. Eine so milde wie sentimentale Reminiszenz an das, was war und nie wieder sein kann. Doch er riskiert auch den eher verständnislosen Blick auf den Niedergang der Jetzt-Zeit. Zu hören in den Songs „Dead City“ oder „How Can You Live Like That“.

Wirklich deplaziert wirkt aber nur das kokett-pathetische Gedenken an den Blutrausch des 1.Weltkriegs in der Akustik-Nummer „Trenches“: Die Hölle muß selbst dem verwehrt bleiben, der schon qua Profession „den Blues hat“. Selbst wenn der John Mayall heißt.

Jörg Feyer

heute, 21 Uhr, Fabrik