„Nazis sind im Internet nicht das Problem“

■ Interview: PDSlerin Angela Marquardt wehrt sich gegen Zensur im Internet / Verantwortlich seien AutorInnen selbst / Aktuelle Rechtslage reiche aus / Bei Straftaten muß ermittelt werden

Dafür, daß sie auf ihrer Homepage einen Link auf die Seiten der verbotenen Zeitschrift „radikal“ gesetzt hatte, kam die PDSlerin Angela Marquardt vor den Kadi. Das Verfahren wurde inzwischen eingestellt, doch wer was im Internet verfügbar machen darf, ist längst nicht geklärt. Seit letzter Woche ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen Bremer Internet-Betreiber, der in seinem Gästebuch eine antisemitische Hetzschrift nicht zensiert, sondern nur mit knappen Worten kritisch kommentiert hatte. Was gehört ins Internet, fragten wir Angela Marquardt.

Müssen im Internet Grenzen gesetzt werden?

Angela Marquardt, Bundestagskandidatin der PDS: Ich finde nicht, daß man im Internet durch Zensur Grenzen setzen sollte. Das ist technisch gar nicht möglich.

Wie ist das, wenn eine solche Äußerung in einem Gästebuch auftaucht, das regelmäßig redigiert wird?

Was den Absender der antisemitischen Äußerung angeht, bin ich ohne Wenn und Aber dafür, gegen ihn zu ermitteln. Wenn ich ein Gästebuch auf meiner Homepage habe, kann ich mich persönlich dafür entscheiden, ob ich diese Eintragungen darin stehen lasse oder ob ich der Meinung bin, daß solche Eintragungen auf meiner Seite nichts zu suchen haben.

Was ist, wenn da Sachen stehen, die nach deutschen Gesetzen verboten sind – seien es nun antisemitische Hetze oder die Anleitung zum Bau von Molotov-Coctails?

Diese zwei Dinge sind nicht gleichzusetzen. Antisemitische Hetze richtet sich gegen Menschen, das ist menschenverachtend – unabhängig davon, daß wir beide wissen, wofür Molotov-Coctails eingesetzt werden können.

Prinzipiell ist derjenige verantwortlich, der Sachen ins Internet stellt. Gegen den muß, wenn es sich nach unseren Gesetzen um eine Straftat handelt, ermittelt werden. Der Provider darf nicht gezwungen werden, Daten weiterzuleiten. Sonst müßten Provider Deutschland zwangsläufig verlassen.

Es gibt aber im Bremer Fall nicht nur einen Provider, der etwas weiterleitet, sondern ein Provider, der gleichzeitig „Gastgeber“ mit seinem Gästebuch ist.

Es sollte dem Gästebuch-Administrator freigestellt sein, etwas aus seinem Gästebuch herauszunehmen. Klar, das ist auch Zensur. Aber ich bin grundsätzlich nicht der Meinung, daß durch Zensurmaßnahmen Probleme gelöst werden können.

Seit letztem Jahr gilt das neue Teledienstgesetz. Es zwingt die Provider, zu Erfüllungsgehilfen der Ermittlungsbehörde zu werden, weil bestimmte Inhalte an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden müssen.

Ich bin eindeutig gegen dieses Gesetz. Natürlich ist das andererseit schon schwierig: Wenn ich den Absender dingfest machen will, muß ich natürlich auch die Möglichkeit bekommen, daß der Absender ermittelt werden kann. Wenn aber Provider gezwungen werden, bestimmte Daten herauszugeben, dann finde ich das nicht richtig: das paßt in den Großen Lauschangriff. Und gegen wen soetwas angewendet wird, das wissen wir ja auch.

Gegen wen denn?

Na, zum Beispiel gegen Linke.

Das könnte aber jetzt auch gegen Rechte angewendet werden ...

Natürlich. Aber das Engagement bei der Diskussion gegen Rechts und um die Freiheiten des Internets wünsche ich mir in der Praxis – wenn die NPD in Leipzig marschiert, wenn sie in Sachsen-Anhalt ihre Aktionen machen oder wenn sie, wie jetzt in Mecklenburg-Vorpommern, zu den Wahlen antreten. Die Nazis im Internet sind nicht das Problem.

Fragen: Christoph Dowe