„Ich weiß, daß mein Mann vergiftet wurde“

■ Dupe Onitiri-Abiola, eine Witwe des in der Haft verstorbenen nigerianischen Oppositionsführers Moshood Abiola, über den Tod ihres Mannes, die Rolle Kofi Annans und die düstere Zukunft Nigerias

Am 7. Juli starb Moshood Abiola, prominentester politischer Häftling Nigerias und Sieger der annullierten Präsidentschaftswahl von 1993. Sein Tod kurz vor seiner erhofften Freilassung löste schwere Unruhen aus. Die taz telefonierte mit Dupe Abiola nach der Beerdigung am Wochenende.

taz: Glaubten Sie jemals, daß das Regime Ihren Mann wirklich freilassen wollte?

Dupe Onitiri-Abiola:Nein! Das habe ich oft gesagt. Als Kofi Annan [UN-Generalsekretär] und Emeka Anyaoku [Commonwealth-Generalsekretär] in Nigeria waren, schrieb ich ihnen einen offenen Brief, um sie zu warnen, die Regierung sei entschlossen, meinen Mann zu töten, wenn er nicht auf sein Mandat verzichtet. Als man sagte, er habe auf sein Mandat verzichtet, erklärte ich, Moshood Abiola habe das Mandat nicht abgegeben, und die Regierung wolle meinen Mann beseitigen. BBC sagte ich: Wenn meinem Mann etwas passiert, sind Annan, Anyaoku und Abdulsalam [Juntachef Abubakar] verantwortlich.

In seinem letzten Brief wirft Chief Abiola Annan und Anyaoku vor, daß sie ihn zwingen wollten, sein Mandat als gewählter Präsident aufzugeben. Wissen Sie, was tatsächlich bei diesen Treffen geschehen ist?

Ich war nicht da. Aber ich habe erfahren, daß sie ihn zwingen wollten. Kofi Annan brachte ihm sogar ein Schriftstück, das er unterschreiben sollte. Das hätte er nicht ohne Kenntnis der Regierung bringen können. Es war eine Verschwörung! Sie wollten die internationale Gemeinschaft einbeziehen, weil sie ewig an der Macht bleiben wollten. Das einzige Hindernis war mein Mann. So dachten sie, sie geben ihm noch eine Chance. Daher haben sie diese internationalen Leute eingeladen, ihn zu überreden, sein Mandat aufzugeben.

Sie werfen den Diplomaten vor, sich mit Nigerias Junta verschworen zu haben?

Aber sicher. Die Militärs sagen immer, daß sie dazu da sind, die Einheit und Integrität Nigerias zu wahren. Aber tatsächlich wahren sie die Integrität der Oligarchie aus dem Norden, um diese an der Macht zu halten. Und sie würden alles tun, um die Oligarchie zu schützen. Sie haben es geplant, und Kofi Annan war noch mehr ein Agent als Emeka Anyaoku. Anyaoku sagte gar nichts über das Mandat meines Mannes, aber Annan hat das Volk belogen und insinuiert, mein Mann habe auf das Mandat verzichtet. Können Sie sich das vorstellen? Er sollte zurücktreten, denn was er in Nigeria tat, hat zum Tod eines großen Helden geführt. Annan müßte wissen, was Demokratie bedeutet, was Gerechtigkeit bedeutet, was Wahrheit bedeutet. Das ist, wofür das Mandat meines Mannes steht. Wie kann Annan um das Gegenteil bitten? Mein Mann sollte Ungerechtigkeit und Falschheit akzeptieren! Annan ist falsch. Er ist nicht fit, seinen Job auszuüben.

Haben Sie mit Annan geredet?

Nein. Wieso sollte ich mit einem Lügner reden?

Glauben Sie, daß Ihr Mann an Herzstillstand gestorben ist? Seine Obduktion ergab, daß er an einer langandauernden Herzkrankheit starb. Wußten Sie, daß er herzkrank war?

Ich sagte doch bereits, daß ich schon vor Wochen gewarnt habe, daß man ihn beseitigen wolle. Wie soll ich an einen Herzstillstand glauben? Seit seiner Verhaftung wurde er nicht medizinisch versorgt. Sie haben ihn vier Jahre lang leiden lassen. Er hatte sechs Monate lang Durchfall und wurde nicht behandelt. Er hatte verschiedene Leiden und bekam keine einzige Tablette. Er starb aber nicht. Und jetzt soll er plötzlich umfallen und tot sein. Ich weiß von meinen eigenen Recherchen, daß er vergiftet wurde. Es war ein Gift, das man bei einer Autopsie nicht nachweisen kann.

Ihr Mann stand für Demokratie. Die beste Ehrung für ihn wäre Demokratie in Nigeria. Halten Sie dies für möglich?

Nein! Es gibt keinen Übergang zur Demokratie mehr. Mit Moshood Abiola ist die Einheit Nigerias ermordet worden. Mit Moshood Abiola haben wir Nigeria begraben. Die Frage ist nicht mehr Demokratie, sondern die nationale Frage: Wollen wir noch zusammenleben? Wollen wir weiter zulassen, daß gewisse Menschen uns versklaven? Das ist die Frage. Und die Mehrheit unseres Volkes sagt: Laßt uns unseren eigenen Weg gehen. Brich auf, o Israel!

Also sollte auseinandergehen, was die Briten durch Tricks und Gewalt zusammengefügt haben?

Oh! Gott segne Sie. Genau das sagen die Leute. Sie nennen schon den Westen Nigerias „Republik Oduduwa“.

Unterstützen Sie das?

Der Mord an meinem Mann hat mich dazu gezwungen, den Tatsachen ins Auge zu sehen und zu begreifen, daß das der einzige Weg ist. Die Oligarchie aus dem Norden kontrolliert die Macht. Und sie geht soweit, meinen Mann zu töten, weil sie die Macht nicht in den Süden verlagern will. Das ist zuviel. Wir können nicht mehr zusammenleben. Wie sollen Herr und Knecht zusammenleben? Laßt sie gehen und uns lassen.

Rechnen Sie mit Bürgerkrieg?

Das kann ich nicht sagen. Seit dem Mord an meinem Mann haben wir schon einen ethnischen Krieg. Viele Menschen sind gestorben. Persönlich wäre es mir lieber, daß wir uns an einen Tisch setzen und das Land aufteilen, wie in der Tschechoslowakei. Aber wenn Gott sagt, es muß einen Bürgerkrieg geben, muß es vielleicht so sein. Interview: Peter Donatus