Schattenkabinett

■ Mit Earth, Wind & Fire, den Temptations und Bootsy Collins kommen drei Klassiker

Es gibt Bands, die behandeln ihre eigene Geschichte wie eine frei besetzbare Handelsmarke. Zwei von ihnen gehören zu den berühmtesten Soul-Formationen aller Zeiten. Wer im letzten Jahr das Konzert der Astro-Funker Earth, Wind & Fire erlebt hat, wird dies bestätigen müssen. Schon im Vorfeld der damaligen Tournee war durchgesickert, daß mit Bandgründer Maurice White gleich der musikalische Mastermind der einstigen Supergruppe fehlen würde. Die Show mutierte entsprechend zu einem erschreckend altbackenen Soloabend von Falsett-Heuler Philip Bailey. Flöten gegangen war sowohl der einstige Glanz der Phoenix Horns, jener weltbekannten Bläsersektionen als auch die spektakulären Blitz & Donner-Showeinlagen. Statt dessen gurrte sich ein selbstverliebter Bailey gelangweilt durch all die großen Danceclassics von „Shining Star“ bis „Let's groove“. Und auch dieses Jahr steht das Konzert von Earth, Wind & Fire unter keinem guten Stern, denn Maurice White bleibt dieser Posse auch weiterhin fern.

Auch wo The Temptations draufsteht, ist nicht zwangsläufig jene Motown-Legende drin. Denn auch bei den Herren um die 60 kommt es auf das Kleingedruckte in den Verträgen an. Seit mehreren Jahren schon tingelt mit Dennis Edwards einer der drei Hauptsänger der einst so smarten Soul-Lounge-Formation in regelmäßigen Abständen durch Europa. Und da der stimmgewaltige R'n'B-Hüne nicht alleiniger Besitzer der Rechte am Bandnamen sein dürfte, hat der Fuchs einfach ein „featuring Dennis Edwards“ drangehängt. Den restlichen Part seines soulvollen Schattenkabinetts bestreiten einige gute Freunde.

Zugegeben, sie sehen in ihren Lackschuhen und Smokings fast so gut aus wie das Original. Einen nicht geringen Part dieser Secondhand-Showeinlage nimmt übrigens Edwards einziger Solo-Welthit „Don't Look Any Further“ von 1984 ein. Der besitzt zwar nicht die Klasse der großen Hits der 60er und 70er Jahre, doch so etwas ist einem Strategen wie Edwards' egal. Die restlichen 6/7 der originalen Temptations finden, Gerüchten zufolge, die eigennützige Marketingpolitik ihres einstigen Vorsängers gar nicht lustig. Wer weiß, vielleicht steht Motown zum 40jährigen Jubiläum ja ein handfester Rechtsstreit ins Haus? Dann würde ein Stück Musikgeschichte zum Gegenstand juristischer Pfennigfuchserei.

Über ein derart musikfeindliches Taktieren mit trademarks ist ein Künstler wie Bootsy Collins erhaben. Man sollte meinen, daß der heute 48jährige seit Anbeginn seiner Karriere als Bassist von James Brown und den JB's nichts anderes als seine eigene „Spacehaftigkeit“ im Kopf hat. Scheinbar alterslos schmeißt sich George Clintons jahrelanger Weggefährte in die bekiffte Unendlichkeit von Album zu Album in die feinste und neueste P-Funk-Schale. Daß am Ende immer wieder glitzernde Sternsonnenbrillen und Plateautreter sein Outfit bestimmen, sollte als Stiltreue bewertet werden. Ebenso wie Collins' permanentes Kreisen um den eigenen Klangkosmos. Ob seine Alben nun This Boot Is Made For Fonk-N oder Fresh Outta P University heißen, spielt keine Rolle. Denn die Gesetze des P-Funk wurden schon vor gut 30 Jahren für alle Zeiten festgeschrieben. Bootsy Collins ist sein eigener Anachronismus. Aber ein netter! Oliver Rohlf

Bootsy Collins: So, 19., Stadtpark, 15 Uhr / The Temptations: Di, 21. Große Freiheit, 21 Uhr / Earth, Wind & Fire: Mi, 22. Juli, Stadtpark, 19 Uhr