Im Darm des Lichtdrachens

■ Bei dem Open-Air-Spektakel Der Drache fährt der Regisseur Holger Mahlich in der Speicherstadt Sound- und Lichteffekte im großen Stil auf

Drachenköpfe fliegen durch den Nachthimmel und versinken in den Fluten der Elbe. Denn im alles entscheidenden Kampf verliert das laserprojizierte Riesenungetüm seine Häupter gleich dutzendweise. Solche Szenen werden ab morgen beim multimedialen Open-Air-Spektakel Der Drache im Hamburger Hafen aufgefahren.

Nach dem Hamburger Jedermann ist mit der Neuproduktion Der Drache nun die zweite Theateraufführung in die Speicherstadt gezogen. So versuchen die Macher der Hafen-Kultur-Tage den Hafen auch in der gehobeneren Kultur zu etablieren. Damit befinden sie sich aber in einer Zwickmühle. Denn sie distanzieren sich zwar von erlebniskulturellen Massen-Ereignissen wie dem Hafengeburtstag, müssen aber, angesichts der immensen Produktionskosten, mit einen ähnlich großen Publikumsandrang kalkulieren. Und das, obwohl „das Team aus Idealismus dabei ist“, wie der Drache-Regisseur Holger Mahlich klarstellt.

Vor 55 Jahren schrieb der Russe Jewgeni Schwarz das Schauspiel Der Drache als versteckte Kritik an Stalin – weshalb es nach zwei öffentlichen Generalproben in Moskau verboten wurde. Der Schriftsteller, Journalist und Schauspieler stattete seine Figuren mit Eigenschaften und Denkweisen der Stalin-Ära aus, ohne dabei die Welt des Fiktiven zu verlassen. Ein politisches Märchen ist seine Geschichte über eine Stadt, die seit 400 Jahren von einem Drachen beherrscht wird und ihm alljährlich eine Jungfrau opfern muß.

Gerade rechtzeitig kommt der tapfere Ritter Lanzelott (Michael Lott) auf einer Harley in die Stadt gefahren, befreit die Jungfrau Elsa (Dorothea Hagena) aus den Klauen des Ungeheuers und sieht sich nun den Bürgern einer Stadt gegenüber, die gar kein Interesse daran haben, aus ihrer Unterdrückung erlöst zu werden. Sie haben sich arrangiert mit einem Leben unter der Gewaltherrschaft und tun alles, damit der Ruhestörer den Kampf mit dem Scheusal verliert.

„Der Zuschauer wird mit den Figuren auf der Bühne Zeuge dieses Kampfes“, schwärmt Mahlich, „er befindet sich mitten im Szenario.“ Am Himmel direkt über dem Publikum tobt die Schlacht mit 30 Meter hohen Feuersäulen, Explosionen, Lasershows und einem Feuerwerk. Diese Effekte, die laut dem Regisseur nicht zum „Aufpeppen des Stücks“ eingesetzt, sondern der Dramaturgie des Werkes angepaßt werden, sind selbstredend nur unter freiem Himmel realisierbar. Und das auch nur dank einer 400 qm großen Spezialfolie, auf der der laseranimierte Drache für die Zuschauer sichtbar gemacht wird.

Nach dem feurigen Rot während des Kampfes wird das Publikum in kitschiges grelles Licht gehüllt. „Schöne neue Hochglanzwelt“, beschreibt Mahlich den dritten Akt. Hier übernimmt der Bürgermeister (Ben Hecker) die Macht, und die Welt scheint wieder in Ordnung. Doch der Schein trügt. Trügerisch ist indes, daß in der Speicherstadt ein Kulinargelage aufgefahren wird, das mit „Drachenspießen“ und „Jungfrauencocktails“ zwar Einfallsreichtum beweist, dem Spektakel aber den Charakter eines Volksfestes verleiht. Davon wollten sich die Macher ja eigentlich distanzieren. Isabel Gentsch

ab 17. Juli, jeweils Fr, Sa und So, Dienerreihe, 20.30 Uhr