Cannabis: Eine illegale Wundertüte

■ Der Hanfkonsum ist in Deutschland – selbst zu medizinischen Zwecken – verboten. Und das, obwohl seine therapeutischen Erfolge in Fachkreisen längst bekannt sind

Ob als Tüte, ob als Pille: Hanf hilft! Das gilt für viele Aidskranke und ChemotherapiepatientInnen, die wegen Appetitlosigkeit und Übelkeit an starkem Gewichtsverlust leiden. Auch bei Grünem Star und spastischen Anfällen bei Multipler Sklerose berichten MedizinerInnen von erfolgreichen Behandlungen mit Cannabis. All das sind Gebiete, auf denen sogenannte „normale“ Medikamente oft versagen oder mit starken Nebenwirkungen verbunden sind.

Doch der Hanfkonsum ist in Deutschland – auch zu medizinischen Zwecken – verboten. Und das, obwohl die therapeutische Wirkung der Droge in Fachkreisen längst bekannt ist: Bereits 1975 wurde in den USA die Wirksamkeit des Cannabiswirkstoffes Tetrahydrocannabiol (THC) bei Übelkeit während der Chemotherapie nachgewiesen. Im Herbst 1998 soll nun auch in Deutschland, unter Leitung von Prof. Robert Gorter, Immunologe am Berliner Krankenhaus Moabit, eine länderübergreifende Untersuchung über den Einsatz von synthetischem und natürlichem THC bei Aids- und Krebspatienten anlaufen.

Seit Mitte der 80er Jahre ist in den USA das Medikament Marinol zugelassen, das den Wirkstoff Dronabinol, eine synthetisch hergestellte THC-Form, enthält. Seit Februar darf Marinol nun auch in Deutschland verschrieben werden. Doch Marinol ist weiterhin kein zugelassenes Medikament. Es muß mit einer Sondergenehmigung aus den USA importiert werden, und das ist teuer: Eine Packung mit 25 Kapseln zu je 2,5 Milligramm kostet derzeit rund 700 Mark.

Ob die Krankenkassen diese Kosten übernehmen, ist fraglich. Auf Anfrage der Kölner Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) schrieb Sabine Bergmann-Pohl (CDU), Staatssekretärin beim Bundesgesundheitsministerium, Anfang Juli an die ACM, Marinol gehöre „grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen“. Für den Mediziner Franjo Grotenhermen von der ACM liegt die Konsequenz auf der Hand: „Bei dem gegenwärtigen Preis wird Marinol für die meisten Patienten keine dauerhafte Lösung sein. Ein Medikament, das sich nur die Reichen leisten können.“ Allen übrigen bleibe nur der illegale Weg in die holländischen Coffee-Shops oder der Hanfanbau auf dem Balkon. Allerdings, räumt Grotenhermen ein, ließe sich mit Marinol auf legalem Wege ausprobieren, „ob THC bei der eigenen Erkrankung wirkt“.

Auch von juristischer Seite wurden Proteste gegen die augenblickliche Rechtslage laut. Für den Hamburger Juraprofessor Jürgen Schwabe ist es ein „Skandal“, wenn Krebs- und Aidskranken, denen Cannabis eine Linderung ihrer Leiden bringe, eine entsprechende Ausnahmegenehmigung verweigert werde. „Weshalb gegen solche Rechtswidrigkeit nicht schnell und nachhaltig gerichtlicher Rechtsschutz mobilisiert wird, ist unerklärlich“, wetterte Schwabe in einer Januar-Ausgabe der Juristenzeitung. Jochen Metzger