Erlebniswelt Bremerhaven

■ In der Seestadt wird weiter gestritten, wie das Thema Auswanderung touristisch, wissenschaftlich und wirtschaftlich verwertet werden soll / Heute Workshop

Zwanzig Millionen Menschen sollen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert Europa verlassen haben. Sieben Millionen von ihnen verließen die alte Welt über Bremen und Bremerhaven. Gegen diese Summen ist die Zahl der Vorschläge, mit denen eines der wichtigsten stadtgeschichtlichen Themen in Bremerhaven wissenschaftlich, touristisch und wirtschaftlich verwertet werden soll, relativ gering: ein halbes Dutzend. Doch das Getöse und Gerangel um die Vorschläge steht dem Trubel auf einem voll besetzten Auswandererschiff in nichts nach. Auch deshalb will Kulturdezernent Wolfgang Weiß in einem neuen – manche sagen: letzten, manche sagen: viel zu späten – Versuch alle Initiativen der Reihe nach zu Wort kommen lassen. Er lädt heute zu einem Workshop „Auswandererprojekt“ ins Morgenstern-Museum.

Über jedem Projekt in Bremerhaven schweben sämtliche Pläne und Unklarheiten des Mammutvorhabens „Ocean-Park“. Doch Weiß ist anscheinend nicht mehr länger bereit, geduldig abzuwarten. Unlängst hat er ein eigenes Konzept zur Erweiterung des Bremerhavener Zoos vorgelegt und ist damit in offene Konkurrenz zum „Ocean-Park“-Investor Jürg E. Köllmann getreten. Eine ähnliche Strategie verfolgt er offenbar auch mit seinem Workshop zum Thema „Auswanderung“, an dem Köllmann mal viel, dann gar kein und dann wieder etwas Interesse zeigte.

In Sachen Auswanderung sind Pläne für den Um- und Wiederaufbau historischer Gebäude genauso im Gespräch wie Anbauten zu den bestehenden Museen Morgenstern- und Schiffahrtsmuseum oder der Umbau des Columbusbahnhofes. Auch stehen inhaltliche Konzepte zwischen Disney-ähnlicher „Erlebniswelt“, heimatgeschichtlichem Museum und puristischer Informationsstelle neben- und zum Teil gegeneinander. Die meisten der Pläne kursierten schon vor einem Jahr. Genauso lang ist unklar, wer wieviel Geld für welches der Projekte aufbringen will.

„Macht doch einfach eine Schnuppermeile oder eine kleine Museumslösung im Columbusbahnhof“, zitiert Rüdiger Staats, Sprecher des Häfensenators Uwe Beckmeyer (SPD), seinen Senator salopp. Beckmeyer will durch eine rund 30 Millionen Mark teure Modernisierung des 30 Jahre alten Gebäudes den Kreuzfahrtbetrieb wieder ankurbeln. An einem vom Senat im April verlangten Konzept werde laut Staats zur Zeit gearbeitet. Unabhängig davon ist, so Staats weiter, mit der Aufnahme einer täglichen Fährverbindung nach Norwegen „fest zu rechnen“. Da würden Gastronomie und eine – wie auch immer gestaltete – Auswandererausstellung ins Beckmeyer-Konzept gut passen.

Das sieht auch die „Arbeitsgemeinschaft Migrationsgeschichte“ (AGM) so. Die Initiative, die nach eigenen Angaben zahlreiche Kontakte insbesondere in die USA pflegt, hat schon vor Jahren ein Konzept mit einer Mixtur aus Information, Dokumentation und Ausstellung für den Columbusbahnhof vorgelegt. Auch die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung hatte schon über das Thema abgestimmt. Ein SPD-Antrag gegen den Columbusbahnhof und somit gegen den Vorschlag des SPD-Senators Beckmeyer war im Mai abgelehnt worden. Ein gegenteiliger CDU-Antrag wurde dagegen angenommen. Trotzdem steht ein klares Votum für oder gegen dieses oder andere Projekte noch aus. Und genau das will Kulturdezernent Weiß erreichen. Letztlich alles eine Geldfrage, so Weiß lakonisch. Er setzt auf Kulturtourismus, doch mit dem „Ocean-Park“, dem Ausbau des Schiffahrtsmuseums, dem Theaterumbau und der Zoo-Erweiterung sei das Auswandererprojekt nur eins von mehreren.

Der Kulturdezernent hält gleichwohl am Auswanderprojekt fest und bevorzugt nach wie vor einen Standort in der Stadtmitte. Der – pikanterweise auf stadtbremischem Gebiet liegende – Columbusbahnhof sei verkehrlich schlecht zu erreichen. Und: Das Projekt müsse in der Nähe anderer Kultureinrichtungen angesiedelt werden. Formell ist der Workshop ergebnisoffen. Aber in einer Vorlage für Kulturausschuß und Magistrat wird das Projekt eines Museums-Neubaus am Alten Hafen eindeutig favorisiert. Die Begründung: Erwartete hohe Besucherzahlen und städtebauliche Attraktivität.

Die AGM ist beim Workshop durch einen Mitarbeiter vertreten, aber der Vorstand will nicht dran teilnehmen. Dirk Lembeck vom AGM-Vorstand: „Das wird eine Scheinveranstaltung, die nur für das eigene Konzept Neubau werben soll.“ ck

Workshop zum „Auswandererprojekt“ heute, 16. Juli, von 9 bis 12 Uhr im Morgenstern-Museum