■ Nachschlag
: Heavy-Metal-Panoptikum: Das Black Box Theatre mit „Quills“

Eine schöne Geschichte ist das, eigentlich, mit versöhnlich stimmender Moral: Die Gedanken sind frei, keine Mauern können sie aufhalten. Klingt kirchentagskompatibel, könnte von Erich Fried sein. Aber „Quills“, Federkiele, ist ein Stück von Doug Wright, eine garstige Klamotte, die zurückführt in die Irrenanstalt von Charentom des Jahres 1807, und die Gedanken, die sich durch Zwang nicht bändigen lassen, sind die düsteren Phantasien des Marquis de Sade.

Das Black Box Theatre, Prags dienstältestes englischsprachiges Theater, gastiert dieser Tage mit Charles Harpers Inszenierung von „Quills“ bei den Friends of Italian Opera. Und Harper läßt das Unheil nicht erst nach und nach die Mauern der Anstalt durchdringen, das raffinierte Bühnenbild Pavlina McEnchroes zeigt Charentom von Anfang an als dunklen Gothic-Tempel, bei dem die Dämonen allgegenwärtig sind. Und auch die omnipräsenten Gewaltphantasien werden dem Publikum durch den ununterbrochenen Musikeinsatz verständlich: Wenn über drei Stunden jeder Satz mit einem Trommelwirbel akzentuiert wird, verspürt man irgendwann eine unbändige Lust, auf die Bühne zu stürmen, den Musiker Jeff Bek hinter seinem Schlagzeug hervorzuzerren und eine lange unterdrückte sadistische Ader an diesem auszuleben.

Ansonsten gehts recht drastisch zur Sache, mit Nacktheit, Kunstblut, Folter- und Mordszenen wird nicht gespart, und wo sich ein schneller Lacher anbietet, verzichtet Wright auch gerne auf die dramaturgische Logik. Vor dem Absturz in die reine Klamauknummer gerettet wird die Inszenierung aber durch das durchaus ernsthafte moralische Anliegen des Stücks, durch lustvolle Anleihen bei Splatterfilm, Commedia dell'arte und Grand Guignol sowie durch die anarchische Spielfreude. Und so gibt es eben nekrophile Geistliche, abgehackte Gliedmaßen und Figuren, die in ihrer sensiblen Psychologisierung geradewegs dem Heavy-Metal-Panoptikum entsprungen sein könnten. Sicher, das muß man mögen. Aber, wie gesagt, eine schöne Geschichte. Falk Schreiber

Täglich bis Samstag, 18. Juli, 20 Uhr, Friends of Italian Opera, Fidicinstraße 40, Kreuzberg, Karten unter 6911211