Der homosexuelle Mann ... Von Elmar Kraushaar

...bringt seine Umgebung immer wieder in schöne Schwulitäten. Z. B. wenn es darum geht, das Unaussprechliche zum Klingen zu bringen. Nicht aussprechen, nicht einmal ansprechen, nur eine Ahnung geben. Noch gar nicht so lange her, da sprach man, wenn es denn einmal um schwule Künstler ging, vom „Nonkonformisten“ oder „Außenseiter der Gesellschaft“. Da konnte man sich schon was bei denken. Und wenn Literaten eine „sensible Sprache“ bescheinigt wurde, mußte man mehr nicht sagen. Da klingelten alle Alarmglocken, und die wirklichen Kenner wußten Bescheid.

Das hat sich heute ein wenig – vielleicht nicht geändert, aber – verschoben. Es soll Homosexuelle geben, denen es egal ist, ob man „es“ weiß. Wenn von denen die Rede ist, spricht man vom „bekennenden Homosexuellen“. Damit ist man den Schwarzen Peter los und fein raus: „Ich hab' nichts gesagt, der nennt sich ja selbst so!“

Ein aktuelles Beispiel für derlei Camouflage-Sprache liefern in dieser Woche die Schlagzeilen um den Schlagersänger Patrick Lindner. Der bayerische Schwiegersohn-Darsteller hat als erster prominenter Schwuler ein Kind adoptiert, und der Boulevardpresse verschlägt's die Sprache. Denn nicht nur, daß sich der stolze Vater mit Adoptivsohn Daniel der Kamera stellt, nein, er erzählt auch gleich dazu, mit wem er sich, neben einem Kindermädchen und der Oma, die neue Rolle teilt: „Unterstützt werde ich von meinem Freund und Manager Michael Link.“ Daß das schon in Ordnung geht, bestätigt Rita Ehrlich vom zuständigen Jugendamt München: „Herr Lindner lebt in einer harmonischen, liebevollen Beziehung. Ich habe ihn als sehr gefühlvollen Mann kennengelernt, der einem Kind viel Wärme entgegenbringen kann.“ Dann ist ja alles klar!

Pustekuchen! Denn die sprachliche Darstellung bereitet dann doch große Schwierigkeiten. Single sei Lindner, heißt es, ledig und – jetzt kommt's, ganz alter Hut, aber immer noch gut geeignet, jeden fraulosen Mann ab 30 ins rosa Licht zu rücken – „Junggeselle“. Da lebt er mit Mann und gemeinsamem Sohn unter einem Dach: Und was ist er? „Junggeselle“.

Was muß man dieser Gesellschaft eigentlich noch alles anbieten? Da kommt einer ganz brav daher, auch noch aus München, ehemals Koch und immer adrett gekleidet, keine Skandale, ständig ein charmantes Lächeln auf dem Gesicht und auf den Lippen Lieder, die noch jede Oma durch den tristen Alltag bringen: „Die kloane Tür zum Paradies“ oder „Herzlich willkommen in meinem Leben“. Ein Musterbua halt und jetzt auch noch – amtlich bestätigt – ein Mustervater. Dennoch muß dieser Mann sich in Kategorien tummeln wie „ledig“, „Single“ und „Junggeselle“, obwohl er's doch gar nicht ist, nur weil es dieser Gesellschaft an Phantasie fehlt, an Mut, Respekt und an Offenheit.

Wieviel leichter wäre es gewesen, wenn der brave Bayer durch einen Stricher umgekommen oder mindestens mal im „homosexuellen Milieu“ zusammengeschlagen worden wäre. Ja, dann wäre ein offenes Wort vonnöten gewesen. Da hätte man gleich noch einmal draufgehauen wie bei Walter Sedlmayr oder Gianni Versace. Das waren auch „Junggesellen“, fürs ganze Leben. Aber kaum waren sie tot, wurden sie als schwule Säue durchs Dorf getrieben.