SPD-Chef sieht Kompromiß zum Volksentscheid

■ Kuhbier will rot-grüne Kuh vom Eis holen. Lösung in der Mitte sei möglich

SPD-Landeschef Jörg Kuhbier will Bewegung in den festgefahrenen Koalitionskonflikt um den Volksentscheid bringen. In einem Hintergrundgespräch machte er am Donnerstag abend deutlich, welche Lösungsmöglichkeiten er sich vorstellen könnte. Die Suche nach Auswegen ist bitter nötig: Rot-grün sitzt in der Volksentscheid-Falle.

Die GAL unterstützt die Initiative „Mehr Demokratie“, die die Hürden für direkte Demokratie radikal herabsetzen will. Die SPD will dagegen diesem Entwurf einen gemäßigten Antrag an die Seite stellen. Die Bürgerschaft stimmt am 26. August darüber ab, ob das Volk am 27. September beim „Volksentscheid zum Volksentscheid“ zusätzlich zu der Vorlage der Ini auch über eine des Parlaments abstimmen darf. Bis dahin müssen die Koalitionäre einen Kompromiß gefunden haben.

Könnte man sich auf die Regelung einigen, daß mindestens 25 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung abgestimmt haben müssen – also eine „Mindestwahlbeteiligung“? „Das sehe ich persönlich durchaus als eine Möglichkeit“, sagt der Parteichef. Augenblicklich müssen 25 Prozent der Wahlberechtigten mit Ja stimmen.

Ein Konsens mit der GAL wäre Kuhbier die liebste Lösung. „Mit der CDU wird es kein gemeinsames Abstimmungsverhalten gegen unseren Koalitionspartner geben.“ Als zweite Möglichkeit favorisiert Kuhbier, die Abstimmung für alle Abgeordneten freizugeben. „Das halte ich für die demokratischste Lösung.“ Er sei sich sogar sicher, daß auch mancher GALier gegen die grüne Fraktionslinie votieren würde. Denn: „Es gibt eine Reihe von nachdenklichen Stimmen.“ Sollte man sich auch darauf nicht einigen können, sollten die Regierungsfraktionen sich enthalten.

Kuhbier bestreitet im übrigen die Behauptung der Grünen, es habe noch nie Volksentscheide gegen Minderheiten gegeben. Er nannte den geplanten Neubau einer 30-Betten-Klinik für psychisch kranke Straftäter im westfälischen Herten als Beispiel, der per Plebiszit verhindert wurde. So eine Entscheidung sei nur akzeptabel, so Kuhbier, wenn sich angemessen viele an der Abstimmung beteiligten.

Für einen „PR-Gag“ hält der SPD-Chef den Versuch, eine SPD-Mitgliederbefragung zum Thema durchzuführen. Initiiert wurde sie von „Mehr Demokratie“-Sprecher Marcus Hiller, der auch in der SPD ist. 20 Prozent der SPDler müssen sich daran beteiligen. Rein zeitlich sei eine Durchführung gar nicht mehr möglich, so Kuhbier. Sollte sie dennoch erfolgreich sein, würde er auf einem Sonderparteitag den Beschluß „sofort wieder kassieren“. Silke Mertins