Schadenersatz für Graffiti - was tun?

■ „Open house“ für (fast) alle Fälle: Infos, Beratung und Hilfe für jugendliche Problemlagen gibt es jetzt im Haus der Naturfreunde in der Buchtstraße

Sarah (Name geändert) wollte einfach nur noch von zu Hause weg – wegen heftigen Streitigkeiten mit ihrer jüngeren Schwester und den Eltern. Doch wie sollte das gehen mit 17 Jahren ohne eigenes Geld in der Tasche? Fragen, die das neue „open house“ Jugendlichen jetzt beantworten will. Im Info-, Hilfe- und BeratungsLaden hat Sozialarbeiter Detlef Schroeder schon drei solcher „Wohnungsfälle“ auf dem Tisch gehabt – seit das „open house“ im Haus der Naturfreundejugend in der Buchtstraße vor zwei Wochen zum ersten Mal öffnete.

Zwei Sozialarbeiter warten dort mit leicht geöffneter Tür auf beratungswütige Jugendliche. Jeden Dienstag und Donnerstag nachmittag soll „immer jemand da sein, der zuhört oder weiterhilft“ – ein Angebot, das Hamburg oder Berlin mit ihren Jugendhäusern längst haben. Aktenordner stehen im open house zum Herumblättern bereit. Und ein Computer wartet auf surfwillige Infohungrige, die sich mit der Maus durch die open house-Infothek klicken. Dort finden sich unter Stichwörtern wie „Ausbildung“ oder „Jugendstrafrecht“ Infos zu allen jugendlichen Lebenslagen: Das open house setzt auf Allround-Beratung.

Der Bedarf dafür sei da, sind sich die Projektinitiatoren Detlef Schroeder und Volker Kasting sicher. Auch wenn am zweiten Öffnungstag kein einziger Jugendlicher Einlaß verlangt. „Das muß sich erst rumsprechen“, sagt Detlef Schroeder. Drei Kids hat er schon beraten, die von zu Hause ausziehen wollen. „Die haben dann einen komplizierten Wohngeldantrag in der Hand.“ Und fragen: Bekomme ich als 17jährige Sozialhilfe? Gibt es Schüler-Bafög? Auf solche Fragen wären Sozialarbeiter aus Freizis gar nicht vorbereitet. Das „open house“ dagegen schon. Und auch auf Probleme, die vor zehn Jahren für die Kids noch gar keine waren: Immense Schadenersatzforderungen wegen Graffitisprühereien oder Justizkonflikte wegen Haschbesitz. „Da gibt es eine Menge Beratungsbedarf.“

Das sieht die Sozialbehörde jedoch anders. Das Projekt hatte sich dort ohne Erfolg um finanzielle Unterstützung bemüht. Es gebe doch die Ämter für soziale Dienste, die auch beraten, sagt Behördensprecher Holger Bruns. Die Sozialbehörde unterstützt das open house deshalb nur bei seinem Antrag auf zwei ABM-Stellen. Und will danach beobachten, ob es überhaupt nötig und wichtig ist. „Natürlich kommen auch Jugendliche zu uns, die nur mal ein kleines Problem mit der Freundin zu besprechen haben“, wehrt sich Sozialarbeiter Schroeder. Doch gerade wenn es um Gewalt gehe, sei das open house ideal. Denn wer gehe damit schon zu einem Amt? Das open house plant eine regelmäßige Rechtsberatung.

Und auch um das Thema sexueller Mißbrauch will sich das open house kümmern. „Gerade für Jungen gibt es in Bremen keine richtigen Angebote“, sagt Detlef Schroeder. Bis auf das Kinderschutz-Zentrum, das sich neben vielen Mädchenhäusern und -läden in Bremen verstärkt um Jungen kümmert. Allerdings setzt das Zentrum auf Familientherapie, „wir aber arbeiten parteiisch.“ So will das open house Anlaufstelle für Jungen sein – um sie dann an Therapeuten zu vermitteln. Und auch Sozialarbeiter und Lehrer sollen fortgebildet werden.

Informieren und beraten – all das soll jetzt in einer Probephase von bis zu drei Jahren laufen in der Buchtstraße. Aber dazu muß sich das open house erstmal richtig bekannt machen – in Schulen und Freizis. Doch in der Buchtstraße war am vergangenen Donnerstag tote Hose angesagt: Die Kids waren auf dem Weg zur Love Parade in Berlin, um Party zu machen. kat

Das open house ist dienstags und donnerstags, 15 bis 19 Uhr, geöffnet in der Buchtstraße 14/15. Infos unter Tel.: 32 60 22.