Rechte Schlüsselfigur hinter Gittern

■ Der Neonazi Frank Schwerdt wird seinen Geburtstag hinter Gitter feiern. Anfang Juli wurde der 54jährige vom offenen in den geschlossen Vollzug verlegt. Der NPD-Bundestagswahlkampf, für den er eingeplan

Seinen 55. Geburtstag wird Frank Schwerdt am kommenden Mittwoch in der Justizvollzugsanstalt Tegel verbringen müssen. Dort sitzt der Neonazi seit dem 7.Juli eine neunmonatige Haftstrafe ohne Bewährung ab – in einer Zelle „ohne Licht“ und bekleidet mit einem Häftlingsdreß, der „ihm viel zu klein“ sei, wie das Nationale Infotelefon Preußen verkündet.

Eine der Hauptfiguren der rechtsextremen Szene in Berlin und Brandenburg muß eine politische Zwangspause einlegen – und sein Aufbauprogramm neonazistischer Strukturen im Bereich der Hauptstadt ebenfalls. Seit spätestens 1992 ist Frank Schwerdts Hauptanliegen die Einbindung jugendlicher Neonazis in Ostdeutschland.

Ein Netzwerk regionaler Neonazigruppen hat sich infolge von Schwerdts Aufbauarbeit inzwischen rund um Berlin formiert. Und immer dieselbe Schlüsselfigur: der Berliner Neonazi Frank Schwerdt. Meist nahm er an den Gründungsveranstaltungen teil und stand den Kameradschaften logistisch bei – beschaffte Kontakte, Propagandamaterial oder Finanzmittel. Nach dem Verbot der Kameradschaft Oberhavel durch Brandenburgs Innenminister Alwin Ziel (SPD) im vergangenen Jahr durchsuchte die Polizei Schwerdts Wohnung. Dieser sei nicht nur Leiter der Gründungsversammlung 1996, sondern auch ideologischer Kopf der Gruppe gewesen, hieß es.

Doch Schwerdt organisiert nicht nur den Aufbau von Gruppen. Am 3. September vergangenen Jahres war das Vorstandsmitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), der auch Herausgeber und Finanzier der rechtsextremen Berlin Brandenburger Zeitung ist, in zweiter Instanz wegen Verbreitung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen verurteilt worden. Begründet wurde der Richterspruch des Landgerichts mit der Herstellung der „Schulungsbriefe“ des Völkischen Freundeskreises.

Bei einer Hausdurchsuchung im August 1995 hatte die Polizei bei Schwerdt und dem im selben Haus wohnenden Neonazi Christian Wendt eine beträchtliche Anzahl der „Schulungsbriefe“ sichergestellt. In den Briefen wird auf das Programm der NSDAP und das „politische Testament des Führers sowie sein gesamtes politisches Werk“ positiv Bezug genommen.

Bisher konnte Schwerdt die Vorzüge des offenen Vollzugs genießen. Seit dem 24. Juni befand er sich im offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt Hakenfelde – bis die Justizbehörden seine Inhaftierung anordneten. Denn gegen Schwerdt, bestätigte die Justizpressesprecherin Michaela Blume auf Anfrage, lägen „neue Erkenntnisse über weitere Vergehen vor“. Spezifizieren wollte Blume dies nicht: „Die Ermittlungen laufen noch.“

Ansatzpunkte dürften die Behörden genügend finden, denn Frank Schwerdt ist eine zentrale Figur der militanten Naziszene. Sein Berliner Haus ist Treffpunkt verschiedener Formen neonazistischer Aktivitäten. Zuletzt hatte die Polizei am 17. April bei einer Durchsuchung des Vortrag-Buch- Reise-Verlages in Schwerdts Haus CDs der Naziband „Volksverhetzer“ beschlagnahmt. Der umtriebige Diplomingenieur gehörte bereits in den sechziger Jahren dem Berliner Landesvorstand der NPD an, trat 1971 allerdings in die CDU ein, wo er es zum Vorsitzenden des Ortsverbandes Heiligensee brachte. Nach knapp 18 Jahren bei den Christdemokraten wechselte er zu den „Republikanern“ (REP) und wurde im Februar 1990 stellvertretender Landesvorsitzender in Berlin.

Schwerdt erhoffte sich, die REP seien als Sammelbecken rechts der CDU und auch für bekennende Nazis offen. Nachdem die Bundespartei sich aber in einem sogenannten Ruhstorfer Beschluß von anderen rechtsextremen Parteien abgrenzte, trat Schwerdt zusammen mit anderen Berliner Vorstandsmitgliedern aus. In der Folge engagierte er sich bei der am 3. Oktober 1991 gegründeten Deutschen Liga für Volk und Heimat (DLVH), bei der er zum Landesvorsitzenden für Berlin und Brandenburg avancierte. Aber auch hier eckte er mit seinem Projekt einer rechten Sammlungsbewegung an. Im Oktober 1992 nahm er in der Parteizeitung gegen Distanzierungstendenzen Stellung. Rund ein Jahr später wurde er seines Amtes enthoben und aus der Partei ausgeschlossen. Zuvor hatte bei den Kommunalwahlen in Cottbus der Neonazi Frank Hübner auf Betreiben Schwerdts für die Partei kandidiert.

Nach einem weiteren Versuch mit der Vereinigung „Die Nationalen“ und dem inzwischen erfolgreichen „Aufbau eines informationellen Netzwerks“ setzt Schwerdt nun auf die NPD als einigende rechtsextreme Kraft. So heißt es auch in der Auflösungserklärung dieser „Nationalen“, es solle in „befreundeten Gruppierungen“ weitergearbeitet werden. Und bereits einige Monate vorher war Schwerdt erneut der NPD beigetreten. Im Januar 1998 als Beisitzer in den Bundesvorstand aufgenommen, war er außerdem Pressesprecher in Brandenburg. Hinweise darauf, daß er für die Bundestagswahl am 27. September oder die zeitgleich stattfindenden Kommunalwahlen in Brandenburg als Kandidat vorgesehen war, liegen dem Landesamt für Verfassungsschutz allerdings nicht vor.

Dennoch dürfte seine Inhaftierung die NPD empfindlich treffen. Nach Erkenntnissen des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums war Schwerdt von seiner Partei „in herausragender Funktion fest für den Bundestagswahlkampf eingeplant“. Richard Thiel