Adtranz steht unter öffentlichem Druck

■ Abgeordnete aller Parteien kritisierten gestern den Abwicklungsbeschluß für 350 Jobs in dem hochmodernen Bahnwerk in Pankow. Konzernchef Eckrodt räumte "Fehler" ein. Höhe der geflossenen Subventionen

Der einhelligen, scharfen Kritik aller Parteien sah sich gestern Adtranz-Manager Rolf Eckrodt ausgesetzt. Im Wirtschaftsausschuß des Abgeordnetenhauses rechtfertigte er die Pläne seines Unternehmens, die hochmoderne Fabrik in Pankow mit 350 Beschäftigten Ende 1999 zu schließen. Stellvertretend auch für CDU, SPD und Grüne forderte der PDS-Parlamentarier Nobert Pewestorff das Adtranz-Management auf, seine „unternehmerische Verantwortung für Ostdeutschland wahrzunehmen“ und den Abwicklungsbeschluß rückgängig zu machen.

Ein unangenehmer Tag für Eckrodt, den Deutschlandchef des Konzerns: Nervös verwechselte er ständig 1966 (damals begann seine Karriere bei Daimler-Benz) mit 1996 – dem Jahr der Adtranz- Gründung und des Beginns der heutigen Schwierigkeiten. Der Hammer hängt nun über Pankow, weil dieses Werk die kleinste der zehn bundesdeutschen Adtranz- Betriebsstätten ist (weltweit sind es 28 Fabriken). In der Sichtweise des Konzerns läßt sich die Reduzierung der Verluste (380 Millionen Mark 1997) am schnellsten und einfachsten durch das Abschneiden dieses Wurmfortsatzes realisieren. 250 Millionen Mark jährlicher Kosten will das Unternehmen nach den Worten Eckrodts wegdrücken – einen guten Teil davon durch die Aufgabe von Pankow, wo das hochmoderne Werk erst im April 1997 eröffnet worden war. Den Abgeordneten wurde damit klar, daß nicht etwa zu hohe Kosten das Problem in Pankow sind, sondern die Fabrik ein Bauernopfer im Adtranz-Verbund darstellt, einem der größten Hersteller von Bahntechnik weltweit.

Vor den Abgeordneten räumte Eckrodt unternehmerische „Fehler“ nach der Gründung von Adtranz durch Daimler-Benz und ABB ein. Diese Fehleinschätzungen machten jetzt das Sparprogramm nötig. Bei Großaufträgen im Zuge der bundesdeutschen Bahnreform habe man hinsichtlich der Preise und Lieferzeiten unrealistisch kalkuliert. „Nüchternes Denken“ habe dem Management auch in Bezug auf die Kapazitäten gefehlt. Im Klartext: Aus heutiger Sicht war der noch vom Adtranz- Vorgänger ABB begonnene Bau des Werkes überflüssig.

Ein Fehler, aber ein lukrativer. Immer wieder versuchten die Abgeordneten, allen voran der Bündnisgrüne Vollrad Kuhn, herauszufinden, wieviel Subventionen der Konzern denn tatsächlich für seine Fabrik bekommen hat. Wirtschaftsstaatssekretär Wolfgang Branoner (CDU) nannte nur die Zahl von 17,2 Millionen Mark öffentlicher Förderung für Arbeitsplätze und Maschinen. Darüber hinaus ist nach Ansicht des Adtranz-Betriebsrates jedoch eine indirekte Subvention von mehr als 30 Millionen Mark geflossen. Als Belohnung für die Ansiedlung in Pankow habe der Senat gestattet, alte Industrieflächen in Reinickendorf für Dienstleistungsnutzung zu verkaufen, was Adtranz einen höheren Erlös beschert habe. Stimmt das, finanzierte der Staat direkt und indirekt über die Hälfte der Investition. Eckrodt wollte sich dazu nicht äußern. Branoner hielt diese Zahlen für unrealistisch.

Aufklärung über Rettungsmöglichkeiten für die 350 Jobs soll nun eine Standortkonferenz zwischen Senat, Bezirk, Konzern und Betriebsräten in der nächsten Woche bringen. Hannes Koch