piwik no script img

Skrupellose Ausländerpolitik

■ betr.: „Weniger Geld für abge lehnte Asylbewerber“, taz vom 11./12. 7. 98

[...] Die Gesetzesverschärfung des AsylbLG ist offiziell mit dem angeblichen Mißbrauch von Sozialleistungen durch Flüchtlinge gerechtfertigt worden. Tatsächlich geht es aber nicht darum, ob Flüchtlinge zuviel oder doppelt Sozialhilfe beziehen, sondern darum, Flüchtlingen, die nach Meinung der Ausländerbehörden nicht ausreichend kooperieren, um ihre Abschiebung zu ermöglichen, die Lebensgrundlage zu entziehen. Die darüber hinaus bestehende Ausgrenzung von Flüchtlingen, die „eingereist sind, um Sozialleistungen zu beziehen“ eröffnet als „Um-Zu“-Regelung den Willkürentscheidungen der Sozial- und Ausländerämter Tür und Tor.

Das Gerede vom „Mißbrauch“ dient als Rechtfertigung einer unmenschlichen Ausgrenzungspolitik, die die Betrofffenen dem sozialen Nichts ausliefert und ist sachlich schlicht nicht korrekt. Wenn von Mißbrauch die Rede sein kann, dann ist es der Mißbrauch des Sozialrechts für eine skrupellose Ausländerpolitik. Jessica Groß, Osnabrück

betr.: „CSU für Zwangsintegration“, taz vom 9. 7. 98

Die CSU hat in letzter Zeit einige beachtliche Anregungen zur Ausländerproblematik geliefert – wie wäre es, diese Überlegungen einmal konsequent zu Ende zu denken, allerdings unter Einbeziehung von Bayerns Verhältnis zu Deutschland.

Stoiber meinte im Frühjahr, von München aus sei Mailand näher als Hamburg. In punkto Glaubensfreiheit (Kruzifix-Streit) und Frauenrechten (Abtreibung) fühlt sich die demokratisch legitimierte Regierung Bayerns nicht an bundesdeutsches Recht gebunden. Warum eigentlich sollte „Freistaat“ nicht wörtlich zu nehmen sein, also:

Bayern wird selbständiger Staat – auf einen mehr oder weniger kommt es in Europa nach der Zersplitterung des Balkans nun auch nicht mehr an. Denkbares Szenario: zum 1. Januar 2000 erklärt Bayern seinen Austritt aus der BRD („Bayerns Weg ins Dritte Jahrtausend“). Freudenfeste überall zwischen Hof und Berchtesgaden, Einführung der konstitutionellen Monarchie, Bayrisch wird Staatssprache und der Katholizismus Staatsreligion. Die EU lehnt Bayerns Aufnahmeantrag ab, solange der neue Staat die rechtliche Stellung von Frauen sowie ethnischen und religiösen Minderheiten nicht an EU-Standards anpaßt. Politisch und religiös Unterdrückte erhalten Asyl in Österreich und der Rest-BRD.

Kommen wir nun zur CSU-Forderung nach Sprachkursen für Ausländer. Gemeint ist natürlich hochdeutsch, und wie wir wissen, haben die meisten Bayern damit erheblich mehr Schwierigkeiten als durchschnittlich sprachbegabte Migranten aus Asien oder Afrika. Ergo haben Bayern, die sich länger als drei Monate in Deutschland aufhalten wollen, vorher Intensiv- Sprachkurse mit abschließender Prüfung zu absolvieren.

Bleibt noch das Problem der Ghettobildung. Die Schröder-Regierung beschließt im Oktober 2000 ein Gesetz, das die Kommunen verpflichtet, integrationswillige und -fähige Bayern gleichmäßig auf ihrem Gebiet zu verteilen. Damit soll vor allem, so Regierungssprecherin Brunst, „der Gefahr einer Verbreitung des in den nördlichen Alpen sehr verbreiteten religiösen Fundamentalismus effektiv begegnet werden“. Frank Palm, Hamburg

betr.: „CSU will Mängel in Deutsch sanktionieren“, „Abschiebung in Nachthemd und Pantoffeln“, taz vom 11./12. 7. 98

Wenn schon diese niveaulose und auch gänzlich überflüssige Diskussion geführt wird, unseren ausländischen Mitbürgern Deutsch in erpresserischer Absicht mit Hilfe des CSU-Trichters einzuflößen, dann sollte doch die CSU, in meinen Augen eine christlich- katholisch-fundamentalistische- rechtsextremistische Partei, in Bayern erst einmal mit sich selbst anfangen. Denn was bei denen als Deutsch interpretiert wird, kann und will ich dann auch nicht akzeptieren und muß bayerische Mitbürger ausweisen.

Zu dem CDU-Politiker Schönbohm aus Berlin, der mit seiner Politik sehr stark an eine Zeit zwischen 1933-45 erinnert, fällt mir so langsam nichts mehr ein! Ich stelle mir immer wieder nur die Frage, was wäre, wenn die Länder die deutschen Flüchtlinge der Nazischergen damals auch einfach wieder so mir nichts dir nichts ins Nazideutschland abgeschoben hätten? Dann hätten wir wohl nie Bert Brechts Werke bewundern können! Thorsten Garbe, Hannover

Die jüngsten Bonner Vorstöße, Nichtdeutschen das Leben bei uns noch schwerer zu machen, lassen mich schaudern. Das Verhalten von Innensenator Schönbohm ist dabei nicht nur ein gefühlloses, sondern auch geschichtsloses Verhalten, das besonders für „christliche“ Politiker typisch geworden zu sein scheint. Ich wünsche, daß Herr Schönbohm alte Eltern hat, die ihm angesichts der allein zurückgelassenen Bosnierin die Hölle heiß machen. Und ich wünsche ihm kleine Kinder und eine Frau, die sich angesichts der abschiebebedingten Familientrennung von ihm abwenden werden. Und ich wünsche ihm ein schlechtes Gewissen, das ja bekanntlich kein gutes Ruhekissen ist. Ich wünsche mir, daß Menschlichkeit in der Politik wieder zum bestimmenden Faktor wird.

Der von Patrick Schwarz erwähnte Vergleich zwischen Gestapo-Männern und den PolizistInnen, die die BosnierInnen im Morgengrauen aus ihren Betten holten, mag vielleicht hinken, aber warum drängt er sich so erbarmunglos auf? Deutschland ist seit 50 Jahren eine Demokratie – und nicht die schlechteste auf der Welt – und gerade deshalb dürften keine Nacht- und-Nebel-Aktionen vorkommen. Es dürfte überhaupt nicht vorkommen, daß wir uns den Geschundenen und Hilfesuchenden dieser Welt verschließen.

Als Hannoveranerin drängt sich mir noch ein ganz anderer Zusammenhang auf. Im Jahre 2000 wird anläßlich der Weltausstellung „die Welt zu Gast sein“. Die Welt ist schon jetzt bei uns zu Gast. Aber, statt uns wie weltoffene Gastgeber zu benehmen, weisen wird den Fremden die Tür. Unwürdig und zum Teil todbringend wie vor rund 50 Jahren. Monica Plate, Hannover

Die Vorgehensweise der Berliner Behörden ist menschenrechtswidrig und menschenunwürdig, in der Tat ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wenn Deutschen so etwas im Ausland passiert wäre, dann wäre das Geschrei groß. Aber Bosnien kann sich mit diplomatischen Mitteln ja nicht wehren – das nutzt Schönbohm für harten Wahlkampf auf dem Rücken der Ärmsten und Wehrlosesten.

Pfui Teufel, Pfui Schönbohm!

Der Berliner Innensenator sollte unverzüglich wegen dieser Schweinerei zurücktreten. Schädigung des Ansehens unseres Landes sollte als Straftatbestand ins StGB aufgenommen werden. Dieter Walter,

Capek-Gesellschaft für

Völkerverständigung und

Humanismus e.V., Weilheim

„Die Uniformierten kamen im Morgengrauen ... nahmen schreiende Kleinkinder und fassungslose alte Frauen mit ... Zeit zum Abschiednehmen und Kofferpacken blieb keine. Etliche Menschen durften sich vor ihrem Abtransport nicht einmal mehr ankleiden.“ – Tausendmal habe ich so etwas Ähnliches schon gehört, wenn bosnische Flüchtlingsfrauen über ihre Vertreibung erzählen, so oft, daß es nichts Besonderes mehr ist. Aber diese paar Sätze sind es, da überfällt mich ein beklemmendes Gefühl.

Diese Sätze beschreiben nicht die Vertreibungen im Krieg hier, die „ethnischen Säuberungen“, sondern die Abschiebepraxis in Deutschland, in Berlin, ganz legal und nach allen Regeln der Bürokratie. Und das ist das furchtbare daran: daß den Abgeschobenen „Recht“ geschieht. Daß es ganz legal ist, wenn im Morgengrauen bewaffnete Polizisten Wohnungen stürmen, Menschen aus dem Schlaf reißen, sie womöglich noch im Schlafanzug ins Flugzeug setzen, ihnen keine Zeit lassen, auch nur irgendwas mitzunehmen oder zu regeln. [...] Rechtzeitig vor den Wahlen müssen wohl einige Bundesländer von bosnischen Flüchtlingen gesäubert werden.

Es ist so menschenverachtend, so zynisch, so schäbig. So beschämend. Ich schäme mich als Deutsche in Bosnien für diese Deportationen, dafür, wie sich Deutschland bosnischer Flüchtlinge entledigt. Nicht, daß sie ewig hätten bleiben sollen. Es ist die Art und Weise, wie dieses Land mit Menschen umgeht, es ist die Art und Weise, wie Politik gemacht wird – auf Kosten von Flüchtlingen.

Und es ist nicht nur die Tatsache, wie in Deutschland, in Berlin die Abschiebungen vor sich gehen, die mich so wütend machen. Wenn die Leute hier einen sicheren Ort, so was wie ein „Zuhause“ hätten, an das sie abgeschoben werden könnten, würde ich mich ja nicht beschweren. Aber da stehen sie dann in Pantoffeln und Nachthemden in Sarajevo und keiner weiß, wohin mit ihnen. Da, wo sie ursprünglich mal gelebt haben, können sie nicht hin, da sitzen nun Flüchtlinge der anderen ethnischen Zugehörigkeit. Und da wo sie ankommen, können sie nicht bleiben.

In Tuzla kamen allein an einem Tag 400 RückkehrerInnen aus Berlin – die Stadt registriert schon seit langem keine RückkehrerInnen mehr, die nicht vor dem Krieg bereits in Tuzla gelebt haben. Die Stadt platzt aus allen Nähten. Der UNHCR-Mitarbeiter, der sie „empfangen“ hat, hat auch keine Ahnung, was er mit ihnen anfangen soll. Auch er hat keine Unterkunft. Und am allerwenigsten wissen die RückkehrerInnen selber, wo sie bleiben sollen.

So wird die Situation hier immer chaotischer, angespannter und explosiver. Alle wissen es – aber Deutschland schiebt gnadenlos weiter ab. Es werden wohl noch mehr Familien von Polizisten im Morgengrauen aus dem Schlaf gerissen, werden noch mehr Menschen lediglich im Nachthemd bekleidet vertrieben werden. Aber – interessiert es diejenigen, die für die schnelle Rückkehr plädieren? Interessiert es jemanden, was aus diesem Land, aus den Menschen hier wird? Leider nein. Hauptsache, sie sind alle weg! Auf ein bosnienfreies Deutschland! Und die Kosovo-Albaner kommen uns erst gar nicht rein ... Judith Brand,

Tuzla, Bosnien-Herzegowina

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen