Mikado mit Brennelementen im AKW

■ Panne in Esenshamm soll mit Muskelkraft behoben werden

Heute, Samstag nachmittag, soll das Brennelement im Atomkraftwerk Unterweser (Esenshamm) geborgen werden. Gestern gab das niedersächsische Umweltministerium grünes Licht für den Vorschlag der Betreibergesellschaft PreussenElektra, wie mit dem meterlangen Stab umzugehen sei. Bei einer Beschädigung würde Radioaktivität frei. Am 1. Juli hatte sich ein Brennelement mit einer 150 Kilo schweren Plattform verkantet. Seitdem steckt es fest.

Nach dem nun genehmigten Vorschlag soll die verrutschte Plattform mit Muskelkraft an ihren ursprünglichen Platz zurückgehoben werden – eine diffizile Aufgabe, liegt die Plattform doch im Brennelementelagerbecken zehn Meter unter der Wasseroberfläche. Drei Arbeiter werden die Aktion von außerhalb des Beckens durchführen, indem sie spezielle an Seilen festgemachte Haken an der Plattform anzubringen versuchen. Wenn das geschafft ist: gaaanz vorsichtig mit Muskelkraft anheben.

„Ein verklemmtes Brennelement zu bergen, ist kein Standardvorgang“, räumt auch ein PreussenElektra Sprecher ein. „Das alles wird millimeterweise gemacht.“ Deshalb sei auch damit zu rechnen, daß der Vorgang mehrere Stunden dauere. Im Ministerium war nach längerer Prüfung das OK für die Aktion erteit worden.

Ein breites Bündnis von Umweltinitiativen hat am Freitag in Oldenburg gefordert, endlich von unabhängiger Seite ein Gutachten über Schwachstellen des AKW durchzuführen. Eckpunkte für ein solches Gutachten waren bereits 1993 von einem Unterausschuß „Reaktorsicherheit“ im niedersächsischen Umweltministerium festgelegt wurden. Doch nachdem Schröder allein das Ruder übernahm, wurde der Ausschuß, in dem auch Atomkritiker saßen, nicht mehr einberufen.

Eine der damals geforderten Überprüfungen: Die Armaturen des Frischdampfsystems. Genau diese Armaturen waren das Problem bei dem zweiten spektakulären Vorfall diesen Jahres am 6. Juni. Eines von vier Sicherheitsventilen hatte bei einer Schnellabschaltung des Reaktors nicht reagiert, weil vergessen worden war, es anzustellen. Otfried Schumacher vom Physikerbüro Bremen bewertet den Unfall inzwischen als „einzigartig in der deutschen Atomgeschichte“. Nur ein weiteres Mal, Ende der 70er Jahre, habe es einen ähnlich schlimmen Vorfall in einem deutschen AKW gegeben. Es sei an der Zeit, andere Gutachter als den TÜV mit einer Schwachstellenanalyse zu beauftragen. Christoph Dowe