Deklarieren und differenzieren

Ökomode ist ein Nischenmarkt. In Berlin wird frühestens Ende 1999 ein Greenpeace-Laden mit korrekten Klamotten seine Pforten öffnen. Bis dahin bleibt den Hauptstädtern nur der Versandhandel  ■ Von Esther Kogelboom

Wer beim Stichwort Ökomode noch an Rentierpullover denkt, liegt gar nicht so falsch. Zumindest im aktuellen Greenpeace-Katalog ziert das nordische Wild einen blauweißen Jacquardpullover aus 100 Prozent kba-Baumwolle, kontrolliert biologischer Anbau. Über das Design läßt sich streiten, über das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht: 119 Mark sind für diesen „Klassiker“ nicht zuviel. Kurzlebige Mode hat im aktuellen Greenpeace-Katalog keine Chance.

Nach einer Schätzung der Umweltschützer erfolgen nur 0,1 Prozent des Baumwollanbaus weltweit nach kba-Kriterien. „Kontrolliert biologischer Anbau“ bedeutet, daß die natürliche Fruchtfolge auf den Feldern eingehalten wird, also keine Monokulturen bewirtschaftet werden, und statt Pestiziden Lockstoff-Fallen zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden. Anstelle des Einsatzes von Entlaubungsmitteln soll die Baumwolle von Hand gepflückt sein.

Um mit dem fertigen Kleidungsstück eine überwiegend positive Ökobilanz zu erhalten, reichen diese Kriterien noch nicht aus. Greenpeace fordert gerechte Entlohnung, die Einhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen, keine Kinderarbeit, kurze Transportwege und den Verzicht auf chemische Hochveredelung wie optische Aufheller, Teflon-Beschichtung, „bügelfrei“ oder „easy-wash“.

Beispiel Pestizide: 150 Millionen Kilogramm, das ist ein Viertel der verkauften Schädlingskiller weltweit, werden auf Baumwollfeldern versprüht. In den asiatischen, indischen und afrikanischen Ländern sind das die Hälfte der dort verkauften Pestizide. Die hohe Konzentration der Schädlingsbekämpfungsmittel stellt nicht nur eine große Gefahr für Grund und Boden dar, sie vergiftet 1,5 Millionen Menschen im Jahr. 28.000 dieser Vergiftungsfälle enden tödlich: Barfuß und ohne Schutzkleidung kommen die Arbeiter auf den Feldern mit den Giften in Kontakt.

Daß es auch anders geht, beweist das Maikaal-Projekt, das über 700 Baumwollbauern in Zentralindien unterstützt, die 2.500 Hektar Land nach demeter-Kriterien für biologisch-dynamischen Landbau bewirtschaften. Um das Zertifikat „kontrolliert biologischer Anbau“ zu erhalten, muß ein Bauer seine Felder insgesamt drei Jahre lang nach den EU-Richtlinien für biologische Landwirtschaft bewirtschaftet haben. In einer eigenen Spinnerei wird die Baumwolle direkt bis zur fertigen Garnrolle weiterverarbeitet, bevor die Schweizer Garnhandelsfirma Remei AG daraus T-Shirts und Babystrampler macht. Die Bauern, die sich an dem Projekt beteiligen, bekommen für ihre Baumwollernte eine Prämie von 20 bis 25 Prozent zusätzlich zum Marktpreis, damit ihre anfänglichen Verluste in den ersten beiden Jahren nach der Umstellung auf Bioanbau ausgeglichen werden. „In den Filialen der Schweizer Handelskette coop wird die fertige Kleidung dann verkauft, zum gleichen günstigen Preis wie herkömmliche Waren. Die Nachfrage der Endverbraucher steigt“, erklärt Traute Bickel von Greenpeace.

Greenpeace ist seit Anfang des Jahres am Maikaal-Projekt beteiligt und verkauft T-Shirts aus der indischen kba-Baumwolle – allerdings in Berlin seit der Schließung des Greenpeace-Shops in der Hardenbergstraße nur noch per Versand. „Die Deutsche Bahn hat uns den Mietvertrag gekündigt“, so Christian Sonntag vom Greenpeace-Shop Hamburg. „Wir wollen aber Ende nächsten Jahres in Berlin einen neuen Laden eröffnen.“

Auch die Firma hess natur vertreibt ihre Produkte via Versand. Hier ist die Auswahl an Ökomode zwar größer, aber noch werden viele Kleidungsstücke aus konventioneller Baumwolle gefertigt. Der Butzbacher Naturtextilienversand deklariert, inwieweit seine Waren ökologisch produziert wurden. hess natur hat keine Rentierpullis im Sortiment, sondern zum Beispiel den „femininen Tweed-Blazer“ aus 100 Prozent Schurwolle. Das petrol-melierte Stück hat seinen Preis: 449 Mark. Darunter erfährt man im Kleingedruckten, daß die Schafe eine „konventionelle Tierhaltung“ durchleiden mußten.

Um einen übergreifenden Ökostandard bemüht sich der TÜV Rheinland in Zusammenarbeit mit der Steilmann-Gruppe. Nach speziellen Prüfungen, in die Rohstoffanbau, verwendete Materialien, Herstellungsverfahren, Paßform, Hautverträglichkeit und Entsorgung ebenso einbezogen werden wie die Zulieferer, sollen die Waren durch eine entsprechende Kennzeichnung für den Verbraucher leicht zu identifizieren sein. Der TÜV Rheinland fordert eine eindeutige Differenzierung zwischen der Kennzeichnung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes und der Kennzeichnung einer umweltschonenden Herstellung gesundheitsverträglicher Produkte.

Das fordert auch Traute Bickel von Greenpeace: „Viele Ökolabels, wie Ökotex 100, messen die Schadstoffe am fertigen Textil. Dabei bleibt unberücksichtigt, unter welchen Umständen die Baumwolle angebaut worden ist.“

Den hess-natur-Katalog kann man unter der Telefonnumer (0180) 535 68 00 bestellen, den Greenpeace-Katalog unter der Nummer (040) 31 18 33 11.