Subtile Formen des Widerstands

■ Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand würdigt mit einer Ausstellung nun die Selbstbehauptung und den Widerstand von Sinti und Roma gegen den Nationalsozialismus

Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand hat ihre Dauerausstellung über das Schicksal der Sinti und Roma im Nationalsozialimus ergänzt und deren Ausgrenzung, ihre Verfolgung und Vernichtung dokumentiert. Eröffnet wird die Ausstellung zum 54. Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944. Damit würdigt die Gedenkstätte erstmals diese Volksgruppe im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma in Deutschland, Romani Rose, zeigte sich darüber gestern voller „Genugtuung und „Freude“: „Es ist für uns von besonderer Bedeutung, daß unser Widerstand gegen den Nationalsozialismus an diesem historischen Ort dokumentiert und gewürdigt wird.“ Vor allem die Überlebenden des Völkermords würden darin ein wichtiges Zeichen der moralischen Anerkennung sehen, die ihnen von seiten der deutschen Gesellschaft lange verwehrt worden sei. So ist das Ausmaß der Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus noch immer nicht ausreichend erforscht. Erst Anfang der achtziger Jahre nahmen Wissenschaftler die Untersuchung auf. Die Zahl der Ermordeten ist noch nicht zweifelsfrei festgestellt. Viele Historiker gehen von 500.000 Ermordeten aus.

Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit dem „Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma“ in Heidelberg entstanden. Sie zeigt Formen der Solidarität, Selbstbehauptung und Verweigerung: den Kinobesitzer Anton Rose, der sich erfolgreich gegen die Schließung seines Filmtheaters wehrt, später jedoch in Auschwitz ermordet wird; die Familie des Anton Guttenberger, die sich weigert, sich im Auftrag der „Rassenhygienischen Forschungsstelle“ erfassen zu lassen; die vielen Sinti und Roma, die sich am Partisanenkampf vornehmlich in Jugoslawien beteiligten.

„Es sind häufig sehr subtile Formen des Widerstandes“, gesteht der Wissenschaftliche Leiter der Gedenkstätte, Peter Steinbach. Es seien die Formen, mit denen sich eine von der übrigen Gesellschaft preisgegebene Bevölkerungsgruppe gegen Entrechtung und Verfolgung wehren könne.

Im Mittelpunkt steht der Aufstand der Sinti und Roma in Auschwitz-Birkenau gegen ihre geplante Ermordung in den Gaskammern. Im sogenannten Zigeunerlager hatten sich im Mai 1944 6.000 der noch überlebenden Sinti und Roma mit Spaten und Steinen der Vernichtungsaktion widersetzt. Die SS mußte von ihrem Plan ablassen, die Häftlinge wurden in andere Konzentrationslager deportiert. Von dort wurden einige der Aufständischen bei Kriegsende als ehemalige Wehrmachtsangehörige wieder eingezogen.

Einen weiteren der „vielen und unterschiedlichen Akzente“ des deutschen Widerstands gegen den Nationalsozialismus will Gedenkstättenleiter Johannes Tuchel mit dem neuen Ausstellungsraum dargestellt sehen.

Wie widersprüchlich sie zum Teil sein können, läßt sich einige Räume weiter erkennen. Dort wird einer der Hauptverantwortlichen für die Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma, der hohe Kripo- und SS-Funktionär Arthur Nebe, als Widerstandskämpfer des 20. Juli gewürdigt. Thekla Dannenberg