Erneut traumatisierte Bosnier festgenommen

■ Obwohl dem Gericht ein Attest vorlag, holten Polizisten in der Nacht zum Donnerstag ein traumatisiertes Ehepaar aus dem Bett. Ausländerbeauftragte Barbara John verhinderte die Abschiebung. Weiter

Ungeachtet aller Proteste holt die Polizei weiter bosnische Flüchtlinge aus dem Bett. In der Nacht zum Donnerstag wurde eine Familie im Wedding um vier Uhr in der Nacht abgeholt, erklärte Flüchtlingsberaterin Uschi Jeske gegenüber der taz. Die 66jährigen Eltern und der erwachsene Sohn kamen in Polizeigewahrsam. Die Eltern sind kriegstraumatisiert und dürften deshalb nach internationalen Konventionen nicht abgeschoben werden.

Atteste, die die Familie akribisch abheftete und regelmäßig der Ausländerbehörde zusandte, bescheinigen beiden psychosomatische Störungen, Asthma und Wirbelsäulenschäden. Auch der Sohn genießt als Stütze der Eltern einen vorübergehenden Abschiebeschutz. Die Atteste schickte die Familie, Jeske zufolge, regelmäßig an die Ausländerbehörde, zuletzt am 1. Juli.

Im Laufe des Donnerstags mußte die Familie wieder freigelassen werden. Jeske: „Es war ein Glück, daß wir die Atteste so lückenlos gefunden haben. Die haben wir der Ausländerbeauftragten Barbara John gefaxt.“ Aufgrund von Johns Intervention kam die Familie frei.

Weitere Festnahmeversuche hat es Berichten von Nachbarn zufolge in der Nacht zum Freitag im Wohnheim in der Gehrenseestraße im Bezirk Hohenschönhausen gegeben. Die Polizei hätte die gesuchten Bosnier jedoch nicht angetroffen. Nach Angaben von Flüchtlingsinitiativen trauen sich seit der Festnahmeaktion in der vergangenen Woche viele Bosnier nicht mehr, im eigenen Bett zu schlafen. Am Donnerstag abend wollte die Polizei einen Roma aus Sprska festnehmen, den sie jedoch nicht antraf. Seine Frau und die fünf Kinder wollte die Polizei nicht mitnehmen. Der Mann, der bereits die Auswanderung in die USA beantragt hat, hatte sich mehrmals wegen Fahrens ohne Führerschein strafbar gemacht.

Am Donnerstag flog eine Linienmaschine der Bosnia Air nach Sarajevo. Nach Angaben der Innenverwaltung waren keine Abzuschiebenden an Bord. Flüchtlingsinitiativen behaupten, die Ausländerbehörde würde für diese wöchentlich verkehrende Maschine seit Wochen sechs bis zehn Plätze für Abzuschiebende reservieren. Die Sprecherin der Innenverwaltung bestätigte hingegen die Abschiebungen von drei Bosniern am Freitag.

Gestern abend wollte sich die Ausländerbeauftragte John in Hohenschönhausen den Fragen von Bosniern stellen. Vertreter des bezirklichen Ausländerbeirates rechnen damit, daß weitere Vorfälle zur Sprache kommen.

Ein in der vergangenen Woche abgeschobener Familienväter konnte mit einem Touristenvisum für zwei Tage nach Berlin zurückreisen, um sein Gepäck zu holen. Seine fünfköpfige Familie war in Nachthemd und Pantoffeln festgenommen worden. Er sei nach eigenen Angaben mit Frau und drei Kindern einen ganzen Tag in einer Polizeizelle mit nur einem Bett festgehalten worden. Die Familie hätte kein Essen erhalten. Auf Verlangen habe es lediglich eine Tasse Wasser gegeben. Dazu erklärte ein Polizeisprecher: „Wen wir festnehmen, dem geben wir eigentlich auch zu essen.“

Zu den Massenabschiebungen der vergangenen Woche gab es gestern weitere Reaktionen. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky stellten sich hinter Innensenator Jörg Schönbohm und wiesen die Kritik der Bischöfe zurück. SPD-Fraktionschef Klaus Böger kritisierte dagegen die Abschiebungen. Er sprach sich dafür aus, die freiwillige Rückkehr von Familien wieder finanziell zu unterstützen. Marina Mai