Und daaaas soll neues Leben sein? - Nananana!

■ Die singende Föhnwelle Dieter Thomas Kuhn erwärmte die Eishalle auch ohne fülliges Brustfell

Er wechselte diesmal zwar nur einmal das Outfit, aber dafür bekam er mindestens doppelt so viele BHs auf die Bühne geworfen wie beim letzten Mal: Dieter Thomas Kuhn, die singende Föhnwelle, Schlagerimitator gehüllt in Zebrafell-Imitat, war am Freitag abend in der Hansestadt.

„Ich glaube, es war eine gute Entscheidung, in die Halle zu gehen“ rief der blondgüldene Sohn eines Polizeibeamten und Nebenerwerbslandwirts und einer Hausfrau der wieder einmal zahlreich erschienenen Fangemeinde zu. Denn auf der Wiese des Waller Freibad, wo er und seine Kapelle eigentlich ihr Stelldichein geben wollten, so wußte Dieter Thomas zu berichten, „steht soooo tief das Wasser“. So drängelten sich tausende polyesterbefummelte Partywütige auf der überdeckten Eislauffläche des „Paradice“, während auf das Dach der Regen prasselte und fragten aus voller Kehle mit: „Wann wirds mal wieder richtig Sommer – ein Sommer wie er früher einmal war? Ja, mit Sonnenschein von Juni bis September und nicht so naß und so sibirisch wie in diesem Jahr ...“ Doch gegen schlechtes Wetter – das ist fast logisch – hilft vor allem eines: Musik! Denn die ist Trumpf, vor allem wenn es sich um Schlager handelt: „Hab Sonne im Herzen, egal ob es stürmt oder schneit.“

Und so entführt uns Dieter Thomas zu der Fiesta, Fiesta Mexicana, wo er heute – hossa, hossa, – für alle ein Fest gibt und danach nach Griechenland, denn dort gibt es bekanntlich den griechischen Wein, der immer noch so ist wie das Blut der Erde, und auch so bleiben wird, und der sein Blut so in Rage bringt, daß er Samba tanzen will, und zwar die ganze Nacht, vorausgesetzt, die Dame ist so heiß wie ein Vulkan, was zum Beispiel für Anita zuzutreffen scheint (“Ich fand sie irgendwo allein in Mexiko, schwarz war ihr Haar die Augen wie zwei Sterne so klar, Ich baute für uns ein Nest wo sichs leben läßt“) oder aber auch für Michaela (“Michaeeeee-la“) oder für seine Ex-Nachbarin Alice.

Im Hintergrund seine Kapelle, herzallerliebst: Nino G-Punkt, der ein Trompetensolo auch mit seinem Ohr blasen kann oder Bata C., der attraktive Organist, der trotz Knieproblemen die Fans mit seinem Todessprung beglückte. Dazu die so perfektionistisch wie routiniert abgeschliffene Bühnenshow, die im Mengenbad von Dieter Thomas ihren Höhepunkt findet, wobei er wahrscheinlich regelmäßig die letzten Reste seines gestern eher bescheidenen Brusthaartoupets verliert, wenn die Frauen den Mann mit der Hakennase begrabschen, als ob sie keine Hanseatinnen wären, was sie vielleicht auch nicht sind, sondern aus dem niedersächsischen Umland, denn viele Autos vor der Tür haben drei Buchstaben am Nummmernschild.

Doch Dieter Thomas ist ruhiger geworden, vielleicht gar geläutert. Aber er deutet nur an, was jeder Klatschkolumnist so gerne genauer wissen würde: da sei eine neue Frau in sein Leben getreten und erst heute verstände er die Worte, die er seit fünf Jahren singen würde: „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben – nananananana“. Nicht, daß er das nicht auch schon bei seinem letzten Besuch behauptet hat, aber diesmal gab er sich mit den Küßchen der weiblichen Fans zufrieden, statt Speichelproben aus der Mandelregion zu sammeln oderfreudig- verschämt auf seine Erektion zu verweisen.

Die Fangemeinde nahm's gelassen, schließlich beschäftigten sich die meisten ohnehin lieber mit sich selbst als mit der Figur auf der Bühne, fröhnten ihren Kindheitserinnerungen und begutachteten die Ausbeute aus Mamas Kleiderschrank oder das, was darin steckt. In der Grand-Prix D'Eurovision-Brutstätte seines so verachteten wie inzwischen erfolglosen Gegenspielers Guildo Horn hat sich Dieter Thomas mit seiner Stimme eines Rotkehlchens längst einen festen Platz in unseren Herzen ersungen.

Christoph Dowe