Weiter Kritik an Bosnier-Abschiebungen

■ Grüne fordern Böger auf, sich für einen Abschiebestop einzusetzen

Die Kritik an den Abschiebungen von bosnischen Kriegsflüchtlingen wird immer breiter: Am Wochenende hat die bündnisgrüne Fraktion im Abgeordnetenhaus die SPD-Fraktion angemahnt, weitere Abschiebungen zu verhindern. Die Grünen fordern in einem Offen Brief SPD-Fraktionschef Klaus Böger auf, sich beim Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) für einen Abschiebestopp einzusetzen.

Böger hatte gefordert, Sonderrückkehr-Programme für bosnische Flüchtlinge neuaufzulegen. Sechs Wochen lang war im Frühjahr die freiwillige Rückkehr mit bis zu 9.000 Mark pro Familie unterstützt worden. 3.500 Flüchtlinge hatte das Angebot genutzt. Diepgen lehnt eine Wiederholung solcher Programme jedoch ab. „Im Augenblick kann niemand, der eine Aufforderung erhalten hat, das Land zu verlassen, mit finanziellen Vorteilen rechnen“, sagte Diepgen der Berliner Zeitung.

Doch auch in der CDU gibt es mittlerweile Kritik. So hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian Schwarz-Schilling kritisiert, daß Ausreiseaufforderungen „dem Standard mitteleuropäischer Zivilisation“ nicht angemessen seien. Für den Internationalen Streitschlicher für Bosnien-Herzegowina ist „jeder Abschiebedruck, jede Drohung“ gegen die Flüchtlinge mit Ausnahme von Straftätern „kontraproduktiv“.

In der bosnischen Community ist Angst auch zehn Tage nach der Abschiebung von 74 Bosniern noch das vorherrschende Gefühl: „Viele der Flüchtlinge schlafen in Parks oder bei Bekannten, aus Angst von der Polizei aufgegriffen und zu werden“, sagt ein Mitarbeiter des südost Zentrums, die Flüchtlinge beraten. In vielen Wohnheimen habe es in den vergangenen Tagen verstärkte Polizeikontrollen gegeben. In einem Köpenicker Wohnheim wurden vergangene Woche, so der Berater, alle Eingangstüren bis auf eine abgeschlossen. „Für uns ist das ein Zeichen, daß hier bald dabgeschoben wird“, sagt Bewohner Anto G. In einer Lichtenberger Unterkunft, aus der mehrere Familien abgeschoben wurden, hätten sich danach fünf Familien zur freiwilligen Rückreise bereit erklärt. Doch genaue Zahlen, ob die Abschiebungen die Anzahl der freiwilligen RückkehrerInnen erhöht hat, gibt es bisher nicht. Der südost Zentrum-Mitarbeiter geht jedoch davon aus, daß von den verbliebenen Flüchtlingen nur 40 Prozent freiwillig ausreisen würden. 20 weitere Prozent würden versuchen, beispielsweise nach Kanada oder in die USA auszuwandern. „Die anderen 40 Prozent warten auf ihre Abschiebung“. Sie hätten keine Möglichkeiten, in ihre Heimatstädte und-dörfer zurückzukehren. „Da macht es keine Unterschied, ob sie freiwillig zurückkehren oder abgeschoben werden.“ Julia Naumann