Esoterische Kläranlage aus Schwaben für Algerien

■ Wie aus Abwasser wieder klares Wasser wird, weiß nur der Erfinder selbst. Algerier begeistert

Algier (taz) – Was der Tüftler Roland Plocher da am Strand von Zeralda gebaut hat und am Samstag einweihte, ruft Kopfschütteln hervor. Eine 1.000 Quadratmeter große Abfolge von viereckigen Teichen, die durch Kiesbarrieren voneinander getrennt sind, soll das Abwasser von 20.000 Menschen reinigen. Bislang floß es ungeklärt wenige Meter weiter ins Meer. „Keine Chemie, kein Energieverbrauch, sondern Ursachenbekämpfung“, verspricht der 58jährige Unternehmer aus dem schwäbischen Meersburg. Die Bewohner des Badeortes Zeralda vor den Toren Algiers sollen künftig bei jeder WC-Spülung weniger als einen Teelöffel von Plochers Wundermittel Penac-W in die Schüssel schütten. Penac steht für „Plocher Energieakkumulator“, W für Wasser. Dasselbe Mittel wird auch in der Kläranlage zugegeben.

In den Kiesdämmen, die das Abwasser auf ihrem Weg von einem Tümpel in den nächsten filtern, stecken jeweils mehrere 50 Zentimeter lange und acht Zentimeter dicke Edelstahlröhren. In ihnen befinden sich drei Aluminiumwicklungen. „Damit halten wir die Bakterien bei Laune“, sagt Plocher. Penac-W, ein feines, stark Kalziumkarbonat-haltiges Gesteinsmehl, sei ebenso wie die Metallstäbe „informiert“. Was das heißt, erklärt Plocher so: „Wir haben die Schwingung von Sauerstoff aufkopiert.“ Die wenigen natürlich vorhandenen Aeroben, sauerstoffverbrauchenden Bakterien, die in normalen Kläranlagen zugesetzt werden, um die Schadstoffe abzubauen, würden so stimuliert als wäre tatsächlich Sauerstoff im Wasser. Deswegen würden sie mit ihrer zersetzenden Arbeit beginnen. Ein Teil des gereinigten Wassers versickert im Boden. Das Restwasser läuft weiterhin ins Meer, ist allerdings tatsächlich klar und geruchsfrei.

Die Kopierapparate, die das Gesteinsmehl „mit den Schwingungen des Sauerstoffs“ versehen, stehen in einer Halle in Meersburg. Unter mehreren acht Meter hohen Holzkästen läuft das Material auf einem Förderband hindurch. Die Kästen haben unten eine Öffnung, in die eine feine Metallfolie im Holzrahmen, eingelegt wird. Auch sie ist laut Plocher „informiert“. Fertig ist das Penac-Produkt. Wie es in den Kästen aussieht, weiß nur Plocher selbst.

Was er da vor 18 Jahren „durch genaues Studium der Natur“ entdeckt haben will, hält er selbst vor seinen engsten Mitarbeitern geheim. Eine Erklärung, die den herkömmlichen Naturwissenschaften standhält, gibt der gewitzte Unternehmer keine. „Wenn ich eine Diskette physikalisch untersuche, ist da auch nichts drauf. Wenn ich sie abspiele schon. Das machen wir mit unseren Produkten.“ „Alles kann uns als Trägersubstanz für unterschiedlichste Informationen dienen“, sagt Plocher. Entsprechend vielfältig ist die Produktpalette aus unterschiedlichen Gesteinsmehlen und Substanzen, die allein keine Wirkung versprechen. Plochers Verkaufsschlager ist Penac-G. G steht hier für Gülle. Der „informierte Quarzsand“ bringt, so Plocher, Gülle zum Rotten statt zum sauerstoffarmen Faulen. Die Brühe werde nicht nur dünnflüssiger und schone damit die Rührwerke, sondern sie stinke auch weniger, da kein Ammoniak mehr ausgase. Der Stickstoff bleibe enthalten, die Düngewirkung steige und mit ihr der Getreideertrag auf güllebesprühten Feldern. Einmal verfüttert, erhöhe das wiederrum die Fleischproduktion. Der Kreislauf ist geschlossen. Die Tiere erhalten mit der Nahrung Penac-T: T wie Tiere. Das ersetze teures und ungesundes Antibiotikum. Über 10.000 Bauern in Deutschland schwören angeblich bereits auf Plochers Produkte. Die Kläranlage in Algerien soll zum „Pilotprojekt für den Mittelmeerraum“ werden. Von Marokko bis Syrien habe Plocher bereits Anfragen erhalten. Auch Saudi Arabien habe sich in Meersburg gemeldet. „Die haben ein Problem mit den Unmengen von Überresten der Hammel, die während der Wallfahrt nach Mekka geschlachtet werden“, sagt Plocher. Bisher würden sie in der Wüste vergammeln und Grundwasser und Luft belasten. Mit Penac-K könnten sie kompostiert werden.

In Algerien war die Crew nicht zum letzten Mal. Während der Bauarbeiten tauchten immer wieder Bürgermeister aus anderen Gemeinden auf. Plochers Werbekampagne steht auch schon. Sein Name wird in der nächsten Saison die Trikots des nur knapp am diesjährigen Meistertitel gescheiterten Fußballclubs USMA schmücken. Dann werden die Kicker der Altstadt Algiers – einer Islamistenhochburg – nicht nur mit Allahs Segen dem Ball hinterherjagen, sondern auch mit „auf Sieg informierten“ Stutzen. Reiner Wandler