Noch ein Mann wie Schröder

Michael Naumann, Verleger und Journalist, gilt als Macher mit einem Faible fürs Innovative. In einem SPD-Kabinett soll er Staatsminister für Kultur werden  ■ Aus Berlin Patrik Schwarz

Als der Mann noch Verlagsleiter bei Rowohlt war, Anfang der 90er Jahre in Hamburg, machte eine böse Anekdote die Runde: Michael Naumann lasse angeblich die Rechtsabteilung prüfen, ob man gegen schlechte Rezensionen nicht juristisch vorgehen könne — wegen „Produktschädigung“. Seit dem Wochenende muß sich der 56jährige auf ein Leben im Brennpunkt der Kritik einrichten: Naumann hat sich entschlossen, Politiker zu werden.

Als zweiter Seiteneinsteiger nach dem Unternehmer Jost Stollmann ist er dem Ruf in Gerhard Schröders Schattenkabinett gefolgt. Der frühere Ressortleiter bei der Zeit und Spiegel-Redakteur soll im Falle eines SPD-Sieges Staatsminister für Kultur im Kanzleramt werden. Wie schon bei der Entscheidung für Stollmann hat sich Gerhard Schröder mit der Auswahl von Naumann einen Mitstreiter gegönnt, in dem er wohl die eigenen Paradetugenden vereint sieht: Der Kanzlerkandidat wie seine beiden Schattenminister sind Macher mit ungewöhnlichem Berufsweg und einem Faible fürs Innovative.

Als Journalist war Naumann an der Erfindung des Zeit-Magazins beteiligt und leitete die erste Redaktion des überaus erfolgreichen „Dossiers“ der Wochenzeitung. Als Verleger 1985 an die Spitze von Rowohlt berufen, setzte er auf „rücksichtslose Professionalisierung und Kommerzialisierung“, wie ein Branchenkenner meint. Ökonomisch erfolgreich und frei von Sentimentalität für altlinke Pflänzchen im Buchprogramm, qualifizierte er sich für Höheres. Rowohlt-Eigentümer Dieter von Holtzbrink entsandte ihn als Chef des renommierten amerikanischen Literaturverlags Metropolitan Books/Henry Holt nach New York. Ähnlich wie Schröder eckte auch Naumann mit seinem forschen Geschäftsgebaren bisweilen an. Mit exorbitanten Vorschüsse an Autoren wie Paul Auster verderbe er die Preise auf dem US- Buchmarkt, lautete ein Vorwurf. Naumann, so das Magazin Vanity Fair, betreibe einen „German Blitzkrieg“.

Das Durchsetzungsvermögen, das ihm den Ruf als „Holtzbrinks Allzweckwaffe“ eintrug, könnte er als im Kanzleramt durchaus benötigen. Welcher reale Einfluß mit dem Posten eines Staatsministers für Kultur verbunden sein soll, scheint nämlich auch in der SPD- Spitze noch völlig ungeklärt zu sein. Auf die Frage, ob mit dem Posten ein eigenes Budget und Weisungskompetenzen verbunden seien, sagte ein SPD-Sprecher der taz: „Sicher ist das eine zentrale Frage, aber da kann ich nichts sagen.“

Mit dem neugeschaffenen Posten erteilt Schröder jedenfalls der Debatte um die Schaffung eines Bundeskulturministeriums eine Absage. Denkbar wäre trotzdem, Naumann zum Herren über die etwa 1,3 Milliarden Mark zu machen, die derzeit von diversen Bundesministerien für Filmförderung, die Goethe-Institute oder die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ausgegeben werden.

Der SPD-Kulturpolitiker und Schröder-Berater Freimut Duve warnte allerdings gestern gegenüber der taz: „Da muß man sehr behutsam sein, jetzt hoppladihopp alles ins Kanzleramt zu verlagern.“ Wichtig sei nicht, „ob alle ins selbe Haus ziehen“, sondern ob die Koordination vor allem in der auswärtigen Kulturpolitik klappe.