Von den Ereignissen eiskalt erwischt

Bei der Privatisierung des Metropol-Theaters erlitt der Kultursenator einen monumentalen Schiffbruch: Der favorisierte Investor sprang ab. Zigeunerbaron Radunski hat kein glückliches Händchen mit der Operette  ■ Von Ulrich Clewing

Die alten Plakate hängen noch, aber der Eingang ist versperrt, und das seit einem Jahr: So lange wird schon nicht mehr Operette gespielt am Metropol-Theater, steht das traditionsreiche Haus am Bahnhof Friedrichstraße leer. Wann dieser Zustand beendet sein wird, ist derzeit unsicherer denn je.

Die Probleme begannen 1996 mit der Privatisierung der traditionsreichen Bühne. Monatelang hatten sich die Verhandlungen hingezogen. Als die Verträge schließlich unter Dach und Fach waren, ließen sie sich werbewirksam am Schminktisch fotografieren: der Kultursenator und der Heldentenor, letzterer im vollen Ornat, Land-des-Lächelns-Style.

Keine zwölf Monate später war den beiden die Lust auf Posen freilich gründlich vergangen. Im Juli 1997 meldete die Metropol-Theater Betriebs GmbH des René Kollo Konkurs an und schickte ihre 380 Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit.

Bis heute sind die Hintergründe des Bankrotts nicht vollständig geklärt. „Weltstar“ Kollo (Selbsteinschätzung) wirtschaftete derart großzügig, daß manche von Dilettantismus, andere von Mutwilligkeit sprachen.

Was man jedoch sicher weiß: Der Sänger hatte es fertiggebracht, den Etat für 1997 schon zur Jahreshälfte komplett zu verbraten. Dabei ignorierte Kollo (Abendgage: 48.000 Mark) nicht nur die Sparauflagen des Senats, der die jährlichen Zuschüsse bis 1999 von 34 Millionen Mark auf 25 Millionen reduzierte – er errechnete gar einen „Mehrbedarf“ von 6,5 Millionen Mark im laufenden Haushalt. Als Senator Peter Radunski die Notbremse ziehen wollte, war es längst zu spät. Am 11. Juli reichte Metropol-Intendant Kollo seinen Rücktritt ein und machte sich, einen Scherbenhaufen hinterlassend, auf und davon.

Auch danach hatte Berlins oberster Kulturverwalter nicht unbedingt ein glückliches Händchen in Sachen Metropol. Im Zuge des Konkursverfahrens flatterte sämtlichen 380 Mitarbeitern des Theaters die Kündigung ins Haus. Anfang April 1998 jedoch hob das Bühnenschiedsgericht nach einer Musterklage die ersten Entlassungen auf. Der Grund: Da sich das Metropol-Theater ab 1. August 1997 wieder in der Obhut der Senatskulturverwaltung befand, so die Argumentation des Gerichts, sei diese nun auch wieder für die Angestellten des Hauses verantwortlich.

Zeitgleich mit der gescheiterten Reduzierung der Beschäftigten suchte Radunski nach einem neuen Betreiber. Der Andrang war erheblich. Mehr als dreißig Bewerber aus der Privatwirtschaft wurden registriert, unter anderem hatte auch der frühere Metropol- Chef Werner P. Seiferth ein Sanierungskonzept mit Mitarbeiterbeteiligung vorgelegt. Umsonst, wie sich Monate später herausstellen sollte: Den Zuschlag erhielt die Dekra Promotion GmbH, eine Tochterfirma des 1925 gegründeten TÜV-Konkurrenten, des Deutschen Kraftfahrzeug-Überwachungsvereins (Dekra).

Die Dekra Promotion GmbH, die zunächst mit der Vermarktung von Sportveranstaltungen gestartet war, versucht seit einiger Zeit mit viel Ehrgeiz im Kulturgeschäft Fuß zu fassen. Der Erfolg dieser Bemühungen ist bislang – gelinde ausgedrückt – mäßig: Das von der Dekra betriebene Festspielhaus Baden-Baden, das erste private Musiktheater in Deutschland, steht wenige Monate nach seiner feierlichen Einweihung mangels Besuchern vor der Pleite.

Auch in Berlin ging es kurz nach der Bekanntgabe des Metropol- Deals drunter und drüber. Schuld daran war nicht zuletzt das Dekra- Personal. Zuerst engagierte die Dekra-Promotion Lutz Grüttke, in Berlin seit der grandios gescheiterten Olympia-Bewerbung wohlbekannt.

Dann machte auch der Stuttgarter Dekra-Geschäftsführer Rainer Vögele unrühmlich von sich reden. Der Kulturmanager, immerhin schon einmal wegen Veruntreuung zu einer Geldstrafe von 100.000 Mark verurteilt, wurde, kaum daß die Verträge in Berlin unterschrieben waren, Anfang Juli zusammen mit dem zweiten Dekra-Geschäftsführer Klaus Klein „wegen Mißmanagements“ geschaßt. Versuchte die Kulturverwaltung die Vorgänge noch als „interne Angelegenheit“ der Dekra Promotion herunterzuspielen, so wurde sie drei Tage darauf von den Ereignissen eiskalt erwischt. Am 6. Juli schickte Radunski-Sprecherin Kerstin Schneider ein Rundschreiben ab, dessen Inhalt das ganze Ausmaß des monumentalen Schiffbruchs signalisierte: Die Dekra habe mitgeteilt, daß sie mit sofortiger wirkung von den Metropol-Verträgen zurücktrete.

Nun heißt es erneut: Zurück auf Start. Die Suche nach einem privaten Investor für das Metropol mit seinen inzwischen nur noch 260 Mitarbeitern geht weiter, und zwar, so verlautet aus Radunskis Behörde, „ganz in Ruhe und ohne Hektik“. Ob das stimmt, wird man sehen, spätestens wenn der nächste Kandidat sein kurzes Intermezzo gibt.