■ Wohltäter der Menschheit, heute: Robert Gernhardt: Auf der Reise von Ge-ga nach gaga
Brechtsch, sehr brechtsch geht es zu in dem Gedicht, das sich der aktuelle Brechtpreisträger Robert Gernhardt am 18. Juli in die FAZ hineinschrieb zum Lobe seiner selbst: wie er, Robert Gernhardt, wieder einmal alles so gut und so richtig gemacht hat. Dabei kann einer doch Literaturpreise annehmen, wie er's will und wie er's braucht.
Das ist gar keine Frage der Moral, eher eine des Stils: Auf wieviel Distanz möchte man halten zu Leuten, die sich wechselseitig salben ohn' Unterlaß und die sich, in Gestalt von Reich-Ranicki und Biermann den Büchnerpreis oder, in Gestalt Richard von Weizsäckers, den Heinrich-Heine-Preis umhängen bzw. voneinander umhängen lassen?
Robert Gernhardt kommt offensichtlich ohne Distanz zu diesem Club und Klüngel aus, bzw. ist ihm, wie er schreibt, „der jeweilige Preis und das mit ihm verbundene Geld gleichgültig“. Und hat also, wie er glauben machen möchte, wie ein Kuttenträger eine quasi übergeordnete, ja innere Distanz gewonnen, die so weit und so tief geht, daß man sie nach außen nicht mehr zeigen muß? Dürfen wir also endgültig Bhwana Bob zu ihm sagen? Oder hat da bloß einer ein furchtbar schlechtes Gewissen und entdeckt retrospektiv in sich das Skrupulöse, das ihm zuvor so abging? Und muß er deshalb seine Rolle als derzeitiger Preis-August thematisieren, dabei auch noch das allerletzte Wort haben und ohne Not erzählen, wie recht recht recht er hatte und hat?
Egal; 1997 feierte Gernhardt ein Jahr lang unter Vollbeteiligung und -applaus des Betriebsfeuilletons seinen 60. Geburtstag und wurde im Zuge dessen endgültig und im Sinne des Wortes kanonisiert: Er wurde mit Lob totgeschossen. Das war nicht Gernhardts Schuld – das Feuilleton hatte sich eben in diesem Jahr auf ihn geeinigt und schmierte größtenteils ahnungsarme Lobeshymnen auf Gernhardt voneinander ab. Gernhardt aber gefiel genau das, und er mutierte vollends zur Literatur- SED: Ja-Ergebnisse unter mindestens 98 Prozent waren nichts. Und so, obwohl nur ein paar sehr einzelne Stimmen die Entwicklung Gernhardts zum Adabei des Betriebs thematisiert oder bespöttelt hatten, mußte er in der FAZ doch gegen sie andichten, und das auch noch zäh.
Abgekriegt hat das undurchsichtigerweise aber „der Schriftsteller He-hei“ alias Eckhard Henscheid, dem „sein Kollege Ge-ga“ vulgo Gernhardt die Leviten liest; diese Namen sind ungefähr so lustig wie jenes jenseitige „Fonty“, das der altersmeise Günter Grass seinem Theodor Fontane umhängte; vielleicht heißen die beiden demnächst bei Gernhardt „The-oh“ und „Gü-gock“? Und Gernhardt selbst „Ga-ga“? Das wäre gut.
Henscheid, für seine hartnäckige Schroffheit gegenüber dem literarischen Betrieb bekannt, hatte gegen speziell Gernhardts gefällige Betriebsnudelei bislang nichts Öffentiches geäußert; seine spröde Haltung, von der des Damendichters Gernhardts allerdings sehr weit entfernt, führte aber offenbar doch zu Gernhardts Legitimationszwangsgedicht – das sich zur Sicherheit zwar potentiell selbstironisch interpretierbar schminkt, aber nicht verhehlen kann, daß sich da einer für nichts mehr interessiert als für seinen Status, für seinen Rang im Reigen literarischer Arsch-Geigen.
Und so soll Gernhardts Mache- alles-mit,-fumpf-Mark-egall-Gesinnung am Ende noch den „Eigensinn“, ja „Widerstand“ befördern gegenüber „jedwedem Betrieb“ – wie feinsinnig, wie hü-hü- hü-humorig ziseliert und wie allzu geschmeidig doch: Als Lehrer und Wohltäter der Menschheit will Gernhardt nun auch noch lästig fallen. Der Mann, so scheint's, hat einen Kulturauftrag zu erfüllen.
„Als Robert, der Korrupte / Sich als korrupt entpuppte“ – nein, sowas möcht' man auf gar keinen Fall reimen auf Robert Gernhardt. Sondern lieber noch eine Menge Spaß haben mit dem ambitionierten elder Quatschkopf, dem ersten Staatsdichter & Biermann, den die „Neue Frankfurter Schule“ bislang hervorgebracht hat. Und die fortschreitende Demenz des einstigen Hans Mentz auch weiterhin verschärft im Auge behalten, o ja, das wollen wir. Wiglaf „Wi-wuschel“ Droste
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